: Gesichtsverlust
MTVIVA: Nach der Fusion wird beim Musikfernsehen aussortiert,was nicht genug Geld bringt. Zum Beispiel die „Sarah Kuttner Show“
VON HANNAH PILARCZYK
Was passt, wird nicht passend gemacht. Das scheint jedenfalls das Motto zu sein, nach dem die Musikkanäle MTV und Viva sowie ihre Ableger MTV Pop und Viva Plus umstrukturiert werden. Krassestes Beispiel: Viva und seine mutmaßliche Vorzeigesendung, die „Sarah Kuttner Show“ (Mo.–Do. 21.15 Uhr).
Deutsch, weiblich und aus Berlin – das will Musiksender Viva nach eigenen Vorgaben sein. Deutsche Moderatoren und deutsche Musik waren das Erfolgskonzept zum Sendestart vor elf Jahren; weiblich geprägt soll das Programm nach dem Willen des neuen Besitzers Viacom – einem US-amerikanischen Medienkonzern, dem bereits Konkurrent MTV gehört – werden; und wie schon MTV nach Berlin, ans subventionierte Ost-Spreeufer umziehen will der Kölner Sender auch. Moderatorin Sarah Kuttner ist deutsch und hat in ihrer Show viele deutsche Bands zu Gast, sie wohnt in Berlin und ist unbestritten weiblich. Doch das reicht augenscheinlich nicht aus, um sich bei Viva halten zu können. In den Programmplänen für 2005 ist die im August gestartete „Sarah Kuttner Show“ nicht mehr vorgesehen.
Für Jugendliche, doch ansonsten wie eine richtige Late Show wollte die Show sein. Studio-Publikum, eine Band, einen Redaktionsleiter als side kick sowie eine Reihe von Rubriken und Einspielfilmen bot man dafür auf und etablierte sich schnell als ernst zu nehmende, weil tatsächlich unterhaltsame Alternative zu Anke Engelkes – mittlerweile auch abgesetzter – Late Night. Um eine abwechslungsreiche, weil gut geplante Show mit interessanten Gästen hinzukriegen, bedurfte es einigen redaktionellen Aufwandes – zu viel bzw. zu teuer befand man jetzt wohl in der neuen Geschäftsführung von Viva.
„Noch kursieren vorläufige Programmschemata“ heißt es offiziell beim Sender – wann diese endgültig werden, ist nicht zu erfahren. Wenn jedoch stimmt, was gerade am Kursieren ist, dann werden alle Sendungen, die bisher über eine eigenständige Redaktion verfügten, abgesetzt. Bei MTV würde das die Independent-Musikshow „Spin“ und die Nachmittagsshow „Select“ betreffen, bei Viva würden die Pop-Nachrichten „News“, das HipHop-Magazin „Mixery Raw Deluxe“ sowie die Call-In-Show „Interaktiv“ wegfallen. Bereits fest steht, dass die ambitionierte Musiksendung „Fast Forward“ mit Charlotte Roche zum Jahresende abgesetzt wird – wie Sarah Kuttner ist Roche eine profilierte Moderatorin, die über Sendergrenzen hinweg Aufmerksamkeit, Fans und Fernseh-Preis-Nominierungen gewonnen hat.
Statt mehr Profil soll nun aber mehr Profit her. MTV-Geschäftsführerin Catherine Mühlemann soll für deutlich höhere Gewinne sorgen. Dafür werden diverse Show-Formate aus den USA und Großbritannien eingekauft und untertitelt bzw. übersetzt. Bei Viva soll die Nachmittagsshow „Interaktiv“ – ehemals senderidentitätsstiftende Sendung für die Zeit nach Schulschluss – sogar durch „Big Brother“-Wiederholungen ersetzt werden.
Aus dem Management von Sarah Kuttner heißt es, dass Meldungen über das Show-Ende auf unzuverlässigen Quellen beruhten – tatsächlich liegen die „vorläufigen“ Sendepläne bereits Werbekunden vor. Klingeltöne statt Kuttner, für 2005 scheint das unumgänglich zu sein.