Wienand gesteht nur die Hälfte

Der Staatsanwalt wirft dem Ex-Politiker Karl Wienand Beihilfe zur Bestechung beim Bau der Kölner MVA vor. Er soll 2 Millionen Euro kassiert haben. Am ersten Prozesstag legt er ein Teilgeständnis ab

VON FRANK ÜBERALL

Karl Wienand schien sein Prozess vor dem Kölner Landgericht nicht sonderlich zu kümmern. Der 77-Jährige saß gestern gemütlich auf der Anklagebank, lachte und feixte mit seinen Anwälten. Während die stapelweise Akten auf ihren Tischen türmten, hatte Wienand kein einziges Blatt vor sich. Mit grau meliertem Anzug, streng zurück gekämmten Haaren, weißem Hemd und gewagt gemusterter Krawatte lauschte er scheinbar unbeteiligt seinem Prozess.

Der frühere SPD-Bundespolitiker und verurteilte DDR-Spion soll 1994 der Anstifter und Drahtzieher des Schmiergeldskandals um den Bau der Kölner Müllverbrennungsanlage (MVA) gewesen sein. Er muss sich wegen des Vorwurfs der Beihilfe zur Bestechung von Angestellten und zur Untreue im besonders schweren Fall verantworten. Die Staatsanwaltschaft fordert deshalb für ihn eine empfindliche Strafe. Der Vorsitzende Richter Martin Baur aber präsentierte bereits am ersten Verhandlungstag seine Vorstellung für eine vergleichsweise milde Bestrafung Wienands. Eine Bewährungsstrafe sei denkbar, meinte Baur, und eine Geldauflage von nur 25.000 Euro.

Konkret werfen die Ermittler Karl Wienand vor, er habe den Schwarzgelddeal zwischen dem Ex-Geschäftsführer der Anlagenbau-Firma Steinmüller, Sigfrid Michelfelder, dem früheren Chef der Abfallverwertungsgesellschaft (AVG), Ulrich Eisermann, und dem Entsorger Hellmut Trienekens eingefädelt. Als unklar war, wie das Korruptionsgeld fließen sollte, habe er die Abwicklung über Briefkastenfirmen in der Schweiz organisiert. Im Zusammenhang mit dem Bau der Kölner MVA sollen umgerechnet 11 Millionen Euro Schmiergelder geflossen sein. Für sich selbst habe Wienand, so Staatsanwalt Robert Bungert, zwei Millionen Euro kassiert.

Wienand selbst nahm zu den Vorwürfen nicht Stellung, dafür aber seine Anwälte, die nicht nur Wienands Teilgeständnis über die erhaltene Summe vermittelten, sondern darüber hinaus ausführlich über das zuweilen dramatische Leben des Angeklagten berichteten. Im Krieg sei er schwer verletzt worden, privat habe er so manche Schwierigkeiten gehabt und er sei eben alt und krank. Schon seit den 70er Jahren habe er als Industrieberater gearbeitet. Als Anfang der 90er Jahre die Ermittlungen wegen seiner Geheimdiensttätigkeit für die Stasi bekannt wurden, wollte er seine Familie durch den Kölner Mülldeal finanziell absichern.

Bei den Verhandlungen zwischen der Gummersbacher Anlagenbau-Firma Steinmüller, dem Entsorger Trienekens und der Kölner AVG habe Wienand in Kauf genommen, dass der Auftrag für den Bau der MVA womöglich manipuliert werde. Von Schmiergeld habe er aber nie gesprochen, das habe der damalige Chef des Müllofens, Ulrich Eisermann, getan. Und er habe auch nicht zwei Millionen Euro in die eigene Tasche gesteckt, sondern nur die Hälfte.

Der Richter will den Prozess am 14. Dezember fortsetzen und wahrscheinlich schon zwei Tage später zum Abschluss bringen. Bereits im Mai 2004 hatte das Landgericht die ersten drei Urteile gesprochen. Ex-AVG-Chef Ulrich Eisermann und Sigfrid Michelfelder als Geschäftsführer der Firma Steinmüller erhielten Haftstrafen, der frühere Kölner SPD-Fraktionschef Norbert Rüther wurde freigesprochen.

Es wird erwartet, dass sich die Staatsanwaltschaft mit der milden Strafe nicht zufrieden geben und deshalb den Bundesgerichtshof anrufen wird.

Im Falle einer Verurteilung vor dem Landgericht droht Wienand durchaus noch eine Gefängnisstrafe. Der 77-Jährige war wegen seiner Stasi-Tätigkeit, die er im Kölner Gerichtssaal abstreiten ließ, verurteilt und nur unter Bewährungsauflagen begnadigt worden. Wegen seiner Verwicklung in den Kölner Müllskandal hatte die Bundesanwaltschaft im April 2004 die Bewährungsfrist verlängert.