: Schwarzwaldbauern für Schavan?!
Ist die Landbevölkerung von Baden-Württemberg tatsächlich noch nicht reif für eine Ministerpräsidentin? Die taz-Initiative „Schwarzwaldbauern für Schavan“ untersuchte das Vorurteil
VON PETER UNFRIED
Die Ausgangslage
Annette Schavan (CDU), Kultusministerin, bewirbt sich in ihrer Partei um das Ministerpräsidentenamt in Baden-Württemberg. Ein häufig gehörter Vorwurf gegen sie: Sie sei doch eine allein stehende, kinderlose, gebildete, (aus dem Rheinland) reingeschmeckte Frau – auf jeden Fall eine Frau: „Wie will die dem biederen Schwarzwaldbauern imponieren?“ (Die Welt u.v.a.) „Schwarzwaldbauer“ ist in diesem Zusammenhang pars pro toto für die baden-württembergische Landbevölkerung zu verstehen. Schavan sagt, weder habe „der Schwarzwaldbauer mit mir noch habe ich mit dem Schwarzwaldbauern Schwierigkeiten“. Stimmt das? Die taz-Initiative „Schwarzwaldbauern für Schavan“ suchte Klärung.
Die Testsituation
Die Initiative begab sich am vergangenen Freitag auf den Münsterplatz von Freiburg, dem Tor zum Schwarzwald. Der Platz im Schatten des mächtigen Münsters ist ein Ort, der das ökonomische und gesellschaftliche Leben der Stadt und des angrenzenden Landes mitbestimmt: Hier ist der Wochenmarkt, wo die Bauern den Städtern ihre Ware anbieten.
Der Test
11 Uhr am Morgen. Wetter: nebelig. Die Initiative positioniert das große Plakat „Schwarzwaldbauern für Schavan. Ja, ich will diese Frau als Ministerpräsidentin von Baden-Württemberg.“ Ziel ist es, möglichst viele zum Unterschreiben der gleich lautenden Unterschriftenliste zu bewegen. Die Bürger und Bürgerinnen erweisen sich als freundlich und sehr aufgeschlossen. Ganz selten, dass sich jemand abwendet. Oder auf die Frage: „Wie finden Sie Annette Schavan?“ zischt: „Weg, weg, weg, kein Wort!“ Nach Auswertung der Bürgergespräche ergibt sich folgendes Ergebnis:
1. Widerstand gegen die Initiative
Ja, sie sei aus dem Schwarzwald, sagt eine freundliche Schwarzwälderin. „Aber warum sollten Schwarzwaldbauern für Schavan sein? Ich bin nicht für Schavan.“ Andere schließen sich an: Es gebe keinen Grund, dass Schwarzwaldbauern für Schavan seien. Grund sei nicht ihr Geschlecht, sondern ihre Politik: „Was hat sie denn für die Schwarzwaldbauern getan?“ Nach Meinung dieser Bürger: „Nix.“ Eine dritte Position: Keine Frau zu wollen dürfe man nicht auf den Schwarzwaldbauern reduzieren. „Das gilt für Metzger und Finanzbeamte auch.“ Ein Bürger erwägt, zu unterschreiben, fragt aber zur Sicherheit nochmal nach: „Für oder gegen Schavan?“ Für. Er unterschreibt nicht.
2. Ablehnung von Annette Schavanals Ministerpräsidentin
Die Ablehnung von Schavan hat mehrere Gründe:
– Allgemeine Politikverdrossenheit: „Ich bin überhaupt nicht für Schavan“, sagt eine ältere Bäuerin. Aus Prinzip. Alle Politiker seien Blutsauger. „Die scharwenzeln um die Wähler rum und wenn sie dran sind, stopfen sie sich die Taschen voll.“ Wäre der Wähler konsequent, sagt die Bürgerin, sollte er „mit Mischtgabeln und Dreschflegeln auf die Straße gehen“. Und dann „draufhauen“. Dass alle Politiker gleich seien, wird öfter diagnostiziert. Einmal mit dem Zusatz, da mache auch die Schavan keine Ausnahme, auch wenn man sie nicht kenne.
– Die Osttheorie: Er sei keinesfalls für Schavan, sagt ein Gemüsehändler vom Land. Grund: „Die kommt doch aus dem Osten.“ Einwurf, sie käme aus dem Rheinland, was nicht direkt im Osten läge. Er bleibt hart: „Nein, die kommt eigentlich aus dem Osten.“ Ein klarer Ablehnungsgrund, weil es seiner Meinung nach genug Politiker gibt, „die das Geld in den Osten rüberschmeißen wollen“. Diese Gefahr ist noch viel größer, wenn eine selbst aus dem Osten kommt. Er wisse sicher, dass Konkurrent Günther Oettinger nicht aus dem Osten komme. Nicht mal aus dem Stuttgarter Osten. Klarer Punkt für Oettinger. Fazit des Gemüsehändlers : „Wir sind doch auf jeden Fall die Neger.“ Die für ihn zuständige Verbraucherministerin Künast käme auch aus dem Osten. Er hebt die Stimme an. „Die sollte man mal mit hohen Stiefeln durch den Schweinestall jagen.“ Ob er befürchte, Ministerin Künast habe noch keinen Stall von innen gesehen? „Näher als sechs Meter war die nit dran.“
– Das Geschlechterproblem: Zwei Frauen hinter einem Gemüsestand sind gegen Schavan als Ministerpräsidentin – aus quantitativen Gründen. „Eine Frau wird nicht gebraucht. Es gibt genug Frauen in der Politik.“ Herbe Kritik auch von einem älteren Bürger. „Ihre Aktion ist doch Quatsch.“ Warum? „Ich habe nichts gegen eine Frau.“ Aber? „Aber die Zeiten werden immer härter.“ Und? „Und da brauchen wir einen Mann. Und nicht …“ Er zeigt auf das Plakat: „Und nicht so einen Unsinn.“ Auch die politikskeptische Gemüsehändlerin, die Mischtgabeln gegen Politiker einsetzen will, sieht Schavans Geschlecht nicht als Fortschritt. „Politik isch was für einen Mann. Des isch nix für a Frau.“ Der ostskeptische Gemüsehändler dagegen erweist sich als Liberaler. Er habe „nichts gegen Frauen.“ Wenn sie nicht aus dem Osten kommen. „Frauen haben auch Meinungen. Manchmal liegen sie auch richtig. Meistens, wenn sie auf dem Rücken liegen.“ Nähere Erklärungen sind nicht mehr möglich. Er geht ab.
– Das Religionsproblem: „Zu katholisch“, sagt eine Bürgerin am Biofleischstand. „Außerdem zu nah an Merkel dran.“ (Vgl. Osttheorie!)
– Das Altersproblem: Eine mittelalte Bäuerin findet, dass Schavan alt aussieht. Die Initiative erklärt ihr, sie sei erst 49, Oettinger dagegen 51. Beharren: Sie sehe alt aus.
3. Zustimmung für Annette Schavanals Ministerpräsidentin
– Klar für Schavan: Ein Händler aus dem bäuerlichen Milieu ist klar für Schavan, weil sie „Entscheidungen durchdrückt. Wie dr Erwin“. Konkurrent Oettinger dagegen „ist, glaub ich, eher manipulierbar“. Und zwar „von der eigenen Partei. Und von der Opposition.“ Dass Schavan ledig ist? Die lancierten Lesbenvorwürfe seien „lachhaft“: „Ich wähle sie wegen ihrer Politik, nicht wegen ihres Privatlebens.“ Man sei doch „nicht mehr im Dritten Reich“.
– Im Notfall für Schavan: Nicht-CDU-Wähler scheinen eher zu Schavan als zu Oettinger zu tendieren. „Eigentlich bin ich für keinen von beiden. Wenn es sein muss, dann lieber die Schavan“, sagt eine nicht konservativ wählende Bürgerin. Schavan sei „das kleinere Übel.“ Allerdings sind die Nicht-CDU-Wähler eher Städter.
– Rheinländer für Schavan: Endlich ein Bürger, der strahlend Ja zu Schavan sagt. Der Biometzger. Ja, er kenne Schavan und ja, er sei für Schavan. Ja, er sei auch CDU-Mitglied. Ja, er habe Schavan in einer Regionalkonferenz gewählt. Jetzt hoffe er, dass sie gewinne. Dass sie eine Reingeschmeckte ist, aus dem Rheinland? „Totaler Quatsch“. Spiele überhaupt keine Rolle. Er sei übrigens auch aus dem Rheinland. Seit 40 Jahren hier. Und bestens assimiliert.
Ergebnis
Die Untersuchung gibt Hinweise, dass man das Vorurteil gegenüber Schwarzwaldbauern und ihrer angeblichen politischen Orientierung am Geschlecht differenzieren muss. Nach 90 Minuten auf dem Markt beweist die Unterschriftenliste: Ja, es gibt „Schwarzwaldbauern für Schavan“. Und zwar genau vier.