Schüsse aufs Modell

Star-Architekt Hans Kollhoff kritisiert Überseestadt-Pläne

Das Schönste an Architektur-Vorträgen ist das Treffen danach: In der Bierschwemme geht der Referent, beflügelt von der gelungenen Präsentation auf aktuellere, lokalere – kurz: heiklere Diskussionen ein. So auch Star-Baumeister Hans Kollhoff. Die Überseestadt war gar nicht sein Thema gewesen. Als Gast des Clubs of Bremen hatte er im Schütting übers neue Gesicht Berlins gesprochen, das er, wo es denn zu sehen ist, maßgeblich geprägt hat. Wert notiert zu werden sind jedoch vor allem seine Randbemerkungen zum derzeit größten Bauvorhaben Europas – dem versandeten Bremer Hafen.

„Da wird doch auf Kontrast zur Innenstadt geplant“, kritisierte er die Entwürfe. Fakt ist: Kollhoff vertritt klare, fast dogmatische Positionen. Der Dialog mit der Vergangenheit ist sein erklärtes Ziel. Abgebrochen hat er dafür das bauliche Zwiegespräch mit der klassischen Moderne etwa eines Hans Scharoun, der laut Kollhoff das historische Berlin am liebsten „bis zur Unschuld des märkischen Sandes abrasiert“ hätte. Selbst in Frank Lloyd Wrights New Yorker Guggenheim-Museum mag er nur ein Negativbeispiel erkennen.

Dagegen setzt Kollhoff auf traditionelle gestalterische Prinzipien. „Nachhaltig“ nennt er das – andere sagen neokonservativ. Der Vorteil einer klaren Überzeugung: Sie schärft den Blick für faule Tricks. Was zu prima polemischen Inputs für die städtebauliche Diskussion Bremens führte. So wetterte Kollhoff im Anschluss an einen Besuch der Überseestadt-Ausstellung des Modersohn-Becker-Museums gegen den Glaszylinder im Modell des Europahafens. Bald werde in jeder deutschen Kleinstadt so ein rundes Hochhaus stehen, je nach Größe der Stadt höher oder niedriger. Kollhoffs Ansage: „Ich traue mir zu, in der Überseestadt ein Hochhaus zu bauen, das bremisch ist.“ Und attackierte den Bremer Masterplaner Rainer Schümann ob des Leucht-Modells: Er wisse doch genau, warum er die Glasbauten von unten anstrahle: „Das ist reine Werbung!“ Kurzlebige Effekte sind Kollhoff eben ein Gräuel. Er will Häuser ohne Verfallsdatum errichten, die wir in 100 Jahren noch genauso gerne sehen, wie am Tag der Einweihung. Ein geringes Risiko, wenn man auf monoton-graue Werksteinfassaden und massige Klinkerfronten setzt: Wirklich zeitlos ist nur das Hässliche. bes

Im Rahmen der Überseestadt-Ausstellung referiert am 11.12., 19 Uhr Benedetta Tagliabue im Modersohn Becker-Museum