Roma in ganz Europa an den Rand gedrängt

Tagung von Wissenschaftlern in Köln sieht besonders für Roma-Flüchtlinge große Integrationshindernisse.Kurzfristige Aufenthaltserlaubnis und Arbeitsverbot werden als Hauptursachen für Marginalisierung genannt

KÖLN taz ■ „Etwa acht bis neun Millionen Roma gibt es nach der Erweiterung der EU in Europa und überall findet man sie am Rande der Gesellschaften, in denen sie leben.“ Mit dieser Feststellung endete gestern das „Forum Integration“ der Otto Benecke Stiftung, das zwei Tage lang in Köln über „Die Situation der Sinti und Roma nach der EU-Erweiterung“ diskutiert hatte. Das international besetzte Forum von Wissenschaftlern beklagte in seiner Abschlusserklärung, Roma litten stärker als alle anderen Bevölkerungsgruppen der EU an Armut und Diskriminierung und seien „an vielen Stellen sogar von Verfolgung bedroht“. Dies könne zu einer vermehrten Migration nach Westen führen, auf die die westeuropäischen Gesellschaften jedoch nicht vorbereitet seien.

Allerdings ist die Situation für Roma auch in Deutschland alles andere als rosig, wie die gestrige Podiumsdiskussion des Forums ergab. Dabei wies Daniel Strauß, Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Baden-Württemberg, darauf hin, dass man seitens der Bundesrepublik wohl kaum den mangelnden Minderheitenschutz für Roma in mittel-osteuropäischen Staaten anprangern könne, solange im eigenen Land die Integration der Roma nicht gelänge – vor allem wegen der Vorurteile der Mehrheitsgesellschaft.

Diese haben nach Auffassung der Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst allerdings weniger einen rassistischen Hintergrund, sondern beruhen auf den miserablen Lebensumständen, vor allem von Roma-Flüchtlingen. Bredehorsts Schlussfolgerung: „Wenn wir keine soziale Integration hinkriegen, verschwinden die Vorurteile auch nicht.“ Um den sozialen Frieden zwischen Roma und Mehrheitsgesellschaft zu sichern, müsse die Stadt für einen Mindeststandard der Lebensverhältnisse von Flüchtlingen sorgen, gleich welchen Aufenthaltsstatus sie haben und unabhängig davon, wie lange sie bleiben. Die Stadt müsse „vernünftige Wohnmöglichkeiten“ bereitstellen und eine „ordentliche Existenzsicherung“ ermöglichen.

Diesem Interesse an Integration steht allerdings oftmals eine rigorose Politik der städtischen Ausländerbehörden entgegen. Diese geben Roma-Flüchtlingen auch nach Jahren häufig nur einen kurzfristigen Duldungsstatus und erschweren damit Integration und Arbeitsaufnahme, wie Bernhard von Grünberg, SPD-Landtagsabgeordneter in Düsseldorf, zugab. „Aber das ist bald Schnee von gestern“, zeigte er sich mit Blick auf das neue Zuwanderungsgesetz hoffnungsvoll. Damit bekämen viele bislang bloß geduldete Menschen eine befristete Aufenthaltsbefugnis inklusive Arbeitserlaubnis. „Und ich rate jedem Roma, sich dann eine Beschäftigung zu suchen.“ So könnten sie schrittweise ihren Status in Richtung unbefristeter Aufenthaltserlaubnis verfestigen.

Diesen Optimismus teilte das Publikum nur teilweise. Bezweifelt wurde vor allem Grünbergs Behauptung, schon jetzt könnten Roma-Flüchtlings arbeiten, wenn man mit Behörden und Arbeitgebern nur intensiv redete. So verwies Sabina Xhemajli, eine Mitarbeiterin des Rom e.V., auf mehrere anwesende Roma-Frauen und -männer, die sich seit Jahren vergeblich bei den Behörden um die Möglichkeit einer Arbeitsaufnahme bemühen. Widerspruch erntete auch Detlev Rein, Mitarbeiter im Bundesinnenministerium. Er meinte, „faktisch“ würden Roma, die seit über 10 Jahren hier lebten, nicht mehr abgeschoben. Mehrere Zuschauer erwiderten empört: „Das stimmt doch nicht!“

Susanne Gannott