Der Seele und der Stier

EUROPAWAHL Mit einem klaren pro-europäischen Bekenntnis eröffnet die Grüne Helga Trüpel, Bremens aussichtsreichste Kandidatin, den Wahlkampf

Bei der letzten Europawahl vor fünf Jahren erreichten die Grünen in Bremen 22,3 Prozent der Stimmen (1999: 12,2) und lagen damit nur knapp hinter der CDU, die auf rund 28 Prozent kam. Die SPD – die 1999 noch auf 43,7 Prozent kam – musste sich 2004 mit 30,5 Prozent begnügen. Jetzt muss sie vermutlich auch noch auf ihre langjährige Europaparlamentarierin Karin Jöns verzichten: Derzeit verfügen die deutschen Sozialdemokraten über 22 Mandate, Jöns ist auf Platz 25 gelistet. Gar keine Chance haben Carl Kau (CDU) und Magnus Buhlert, Platz 112 der FDP-Liste. MNZ

Sie will „Europa eine Seele geben“, sagt Helga Trüpel, grüne Europaabgeordnete. Und das muss sie auch – nicht nur, weil sie nach dem Wahltag am 7. Juni aller Voraussicht nach Bremens einziges Gesicht im EU-Parlament sein wird. Beim letzten Mal, 2004, gingen bei der Europawahl nur noch 35,7 Prozent aller BremerInnen zu den Urnen. 1979, zur ersten europäischen Direktwahl, waren es immerhin noch 64,3 Prozent. Seither ging es mit dem so bekundeten Interesse stetig bergab. Gestern nun eröffnete Trüpel die so genannte „heiße Phase“ des EU-Wahlkampfes, seit gestern auch kann man sie – wie die anderen KandidatInnen – online bei kandidatenwatch.de befragen. Trüpel kandidiert auf Platz neun der Grünen-Liste, das letzte Mal bekam sie auf Platz 13 gerade eben noch ein Mandat.

Auch um der postulierten „Seele“ auch ein Bild zu geben, hat Trüpel eine Maske in Auftrag gegeben, im Stile des Blaumeier-Ateliers. Sie zeigt Europa, also die schöne Prinzessin aus Phönizien, die aus der griechischen Sage, auf die Göttervater Zeus einst scharf war. Sie hat nun Stierhörner auf. Nein, versichert die Künstlerin Angela Kolter, das ist keine Karikatur von Helga Trüpel. Aber die Maske trage „einige ihrer Züge“ in sich.

Trüpel gibt sich seit jeher kämpferisch pro-europäisch, sie votiert seit langem schon für Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, sie würde aber auch Island gerne in die EU aufgenommen sehen, weil sie sich davon einen ökologisch-nachhaltigen Effekt auf die europäische Fischereipolitik erhofft. Und Trüpel verteidigt – anders als die Linkspartei – den Lissabon-Vertrag, weil er die Europäische Union „demokratischer, sozialer und transparenter“ mache, das EU-Parlament stärke, die Grundrechte-Charta verankere.

Für Trüpel geht es bei dieser Wahl aber nicht zuletzt um eine Entscheidung darüber, ob gemeinsame Regeln für die Finanzmärkte etabliert, diese auf europäischer Ebene überwacht werden. „Das geht auf nationaler Ebene nicht“, sagt Trüpel. Und die EU solle sich ja vor allem auf das konzentrieren, „was Europa besser kann“. Trüpel findet zugleich positive Worte für Angela Merkel und die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2007, ja, sogar für die ansonsten eher ungeliebte „Triebnatur“ Nicolas Sarkozy. Er habe „die Sichtbarkeit der EU verbessert“, lobt Trüpel.

Und das in einer Zeit, in der viele Errungenschaften der EU als „selbstverständlich“ erachtet würden, wie Bremens grüner Parteichef André Heinemann sagt: „Es ist eine gewisse Sättigung eingetreten.“ JAN ZIER