Eurokurs von 1,60 Dollar scheint bald möglich

Schwacher Dollar wird Deutschland in diesem Jahr „nur“ 0,2 bis 0,3 Prozent Wirtschaftswachstum kosten. Erstens gehen 74 Prozent der Exportwirtschaft in den Euroraum, zweitens hat sich der Rest anscheinend darauf eingestellt

HAMBURG taz ■ Die Talfahrt des Dollars bewegt mittlerweile höchste Regierungskreise. Zunächst hatte Bundeskanzler Schröder die amerikanische Regierung für die Dollarschwäche gerügt. Gestern erklärte Japans Finanzminister Koichi Hosokawa, er sei bereit, „aggressiv zu reagieren“. Die Zentralbanken von Taiwan und Südkorea erwägen Stützungskäufe. Und EZB-Chef Jean-Cloude nannte die Aufwertung des Euro „unwillkommen“.

Alle Welt stöhnt unter dem schwachen Dollar. Binnen zweier Jahren rutschte der Wechselkurs von einst rund 1,20 Euro auf 0,75 Cent. Entsprechend teurer wurden Yen, Koreanischer Won, Schweizer Franken. Die weltweit größten Devisenhändler, Deutsche Bank und die Schweizer Großbank UBS, befürchten eine Fortsetzung der rasanten Talfahrt und einen drastischen Kursanstieg des Euro. Lag der Kurs gestern bei 1,33 Dollar halten die Experten 1,60 schon in naher Zukunft für möglich.

Im Außenhandel gerät dadurch das Preisgefüge durcheinander. Die Folge: Wettbewerbsthemen wie Lohnsteigerungen, Nebenkosten, Inflation haben wesentlich weniger Einfluss auf die Wirtschaft, als ihnen von Politik immer zugeschrieben wird. Rechnerisch nämlich haben sich deutsche Waren seit 2002 um 60 Prozent gegenüber Dollargütern verteuert.

Trotzdem bleiben selbst Exportriesen, wie DaimlerChrysler, gelassen. Finanziell hat sich der Konzern durch so genanntes Hedging – relativ komplexe Fondsstrategien – bis Ende 2005 gegen den Fall des Dollars „zu günstigen Konditionen“ versichert. „Zudem“, sagt eine Sprecherin, „setzen wir auf natürliches Hedging“, gemeint ist eine Ausweitung der Produktion im US-amerikanischen Tuscaloosa. Auch mittelständische Unternehmen demonstrieren „Gelassenheit“, so die Handelskammer Hamburg. Selbst in kleineren Firmen sind Kurssicherungsgeschäfte üblich. Längst nicht alle Firmen passen ihre Preise dem drastisch veränderten Wechselkurs an. Um Marktanteile zu halten, werden stattdessen lieber geringere Gewinne in Kauf genommen. Außerdem beziehen Händler und Industrie Rohstoffe oder Halbfertigprodukte billiger im Ausland.

Entscheidend für die relative Gelassenheit ist aber, dass 74,1 Prozent der deutschen Ausfuhren in den Euroraum gehen – unberührt vom Dollarverfall. Selbst die restlichen Prozent werden längst nicht mehr alle in Dollar abgerechnet – in Asien etwa hat der Euro deutlich an Bedeutung zugenommen. Genaue Zahlen darüber, welcher Exportanteil in Euro abgewickelt wird, ermittelt allerdings nicht einmal das Statistische Bundesamt.

Hamburgs Handelskammer-Chefvolkswirt Günther Klemm erklärt, der Dollarfall habe auch positive Folgen. „Schwacher Dollar und starker Euro sind prima für die Ölrechnung der ganzen Wirtschaft“, stimmt ihm der Bremer Alternativökonomen Jörg Huffschmid zu. Prima sei die Entwicklung auch für die Finanzbranche, da Geldanlagen im Ausland attraktiver werden. Huffschmid plädiert wie DaimlerChrysler und Handelskammer für Gelassenheit.

Dazu hat die deutsche Exportwirtschaft auch allen Grund, denn der Verkauf ihrer spezialisierten Güter hängt kaum von Wechselkursen und Preisen ab. Marke, Image, Qualität der Wartung und des Service oder die schnelle Bereitstellung von Ersatzteilen sprechen für den Verkaufserfolg der Exportweltmeister Auto, Maschinenbau, Feinmechanik und Chemie. Unterm Strich wird ein schwacher Dollar dem Wirtschaftswachstum in Deutschland nur 0,2 bis 0,3 Prozent abknöpfen. Fürchten müssen Exporteure nur einen plötzlichen Dollarschock. Oder einen Zusammenbruch der US-Wirtschaft. HERMANNUS PFEIFFER