Späte Argumente

Hamburger Eltern geben nicht auf und protestieren weiter gegen Schulschließungen. GEW plant Großdemo aller Schulen für am 7. Dezember

„Doch wo es so große Schülermassen gibt, steigt auch die Gewaltbereitschaft“

Von Kaija Kutter

Als am 2. November die Liste der geplanten Schulschließungen bekannt wurde, haben einige Elternräte sofort protestiert. Andere brauchten dafür etwas länger und nutzen nun die letzten Tage bis zum Ende der Einspruchsfrist am 7. Dezember, um mit ihren Argumenten Gehör zu finden.

„Als wir von der Schließung erfuhren, waren wir erst mal alle platt“, erinnert beispielsweise Holger Funk vom Elternrat der Integrierten Haupt- und Realschule (IHR) Hasselbrook. Doch nun wollen Eltern, Lehrer und Schüler am Samstagmittag (11 Uhr) mit einer Menschenkette rund um ihre Schule für den Erhalt dieses einzigartigen Schulangebots im Stadtteil demonstrieren. „Die nächste IHR-Schule liegt in Winterhude“, sagt Funk. „Unsere Eltern sagen, die teuren HVV-Karten können sie sich nicht leisten.“ Zudem sei das IHR-Konzept pädagogisch erfolgreich, wie eine von der Bildungsbehörde nicht veröffentlichte Studie belege. „Wir haben weniger Sitzenbleiber, und die Hauptschüler haben noch im 10. Schuljahr die Chance, einen qualifizierten Abschluss zu machen.“ Funk vermutet bei der CDU „ideologische Gründe“ dafür, dass hamburgweit sechs der 16 IHR-Schulen schließen sollen, um andernorts große, vierzügige Schulen mit getrennten Haupt- und Realschulzweigen (HR) zu schaffen. So sollen auch die Hasselbrooker künftig an die HR-Schule Griesstraße, die dafür ihre Grundschüler an die Hasselbrooker abgibt. Funk: „Beide Standorte bleiben. Gespart wird fast nichts. Doch wo es so große Schülermassen gibt, steigt auch die Gewaltbereitschaft. Wir haben bei uns keine Gewalt.“

Wenig öffentliches Gehör fanden bislang auch die Argumente der Gesamtschule Eidelstedt gegen die Schließung ihrer eignen Grundschule. Hier plant die Behörde Platz für einen zusätzlichen sechsten Mittelstufenzug zu schaffen, den man nach Ansicht der Elternvertreter gar nicht zwingend bräuchte. „Unser Zusammenschluss von Grund- und Gesamtschule ist äußerst wirtschaftlich“, schreiben sie. So aber müssten die Eidelstedter Kinder künftig durchschnittlich 40 Minuten Schulweg zur nächsten Schule in Kauf nehmen und dafür auch die viel befahrene Pinneberger Chaussee überqueren. Die Eltern wollen am Freitag, ab 18 Uhr, vom Schulhof (Lohkampstraße 145) aus durch den Stadtteil demonstrieren.

Kurios verrechnet hat sich die Bildungsbehörde bei der Grundschule Carl-Cohn-Straße in Alsterdorf. Weil die Schule angeblich nur acht Klassenräume hat, sollen die 250 Kinder in die weiter entfernte Schule Sengelmannstraße umziehen. „Wir haben aber zwölf Klassenräume“, berichtet Vater Thomas Horky. Somit könnten, wie von der Behörde gewünscht, drei Klassen pro Jahrgang untergebracht werden. Die Alsterdorfer Eltern stellen heute ab 18 Uhr in ihrer Aula eine „konstruktive Alternative“ vor. Demnach müssten die 100 Schüler der Sengelmannstraße zur Carl-Cohn-Straße umziehen.

Gar nicht nachgedacht hat die Behörde nach Ansicht des Elternrats der Schule Meerweinstraße. Diese will die Kinder aus der Jarrestadt zur Schule Forsmannstraße schicken. Da dort der Schulhof nur 700 Quadratmeter umfasst, hätte jedes der dann 400 Kinder nur 1,5 Quadratmeter zum spielen. „Für Tiere gilt dies als Zumutung“, schreiben die Eltern, die am Nikolaustag ab 13.30 Uhr vom Schulhof zur Hamburger Straße demonstrieren und dort der Bildungssenatorin eine „Rute“ für Kinderfeindlichkeit übergeben wollen.

Eben dort auf dem grünen Rasen vor dem Hochhaus der Behörde für Bildung und Sport ruft die GEW für Dienstag zu einer Protestkundgebung aller Schulen auf. Treffpunkt: 16 Uhr.