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Archiv-Artikel

Mit geblähten Segeln ins Glück

Nachdem Valencia vom schweizerischen Pokalverteidiger Alinghi den Zuschlag für die Austragung des America’s Cup der Hochseesegler im Jahr 2007 bekommen hat, träumt man in der spanischen Stadt von einer glorreichen Zukunft

AUS VALENCIA REINER WANDLER

Rita Barberá setzt die Segel und nimmt Fahrt auf. „Das ist genau das Großprojekt, das Valencia braucht“, feiert die Bürgermeisterin der Mittelmeerstadt die Entscheidung der schweizerischen Alinghi-Crew, den America’s Cup 2007 in spanischen Gewässern zu verteidigen. Die Hoffnung der konservativen Kommunalpolitikerin und engen Vertrauten des spanischen Regierungspräsidenten José María Aznar: Die Segelregatta soll ihr Valencia nachhaltig modernisieren und Geld in die Kassen der heimischen Unternehmer spülen.

Dabei schauen Bürgermeisterin Barberá und der Vorsitzende des eigens gegründete Konsortiums „Valencia 2007“, José Salinas, nach Auckland, Gastgeber des letzten America’s Cup, den die Schweizer überraschend gewannen. Die Regatta machte in Neuseeland sage und schreibe vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Das Spektakel hinterließ 1,1 Milliarden Dollar Gewinn, knapp die Hälfte davon direkt am Austragungsort. Insgesamt entstanden 10.000 Arbeitsplätze. Vor allem die Bauwirtschaft und die Gastronomie profitierten von diesem Boom.

„Unsere Stadt wird so zum entscheidenden Punkt für die wirtschaftliche Entwicklung in Europa“, jubelt Salinas angesichts der Schwindel erregeden Zahlen. Er möchte das Ergebnis der Neuseeländer gar noch toppen. Auf 1,5 Milliarden Euro schätzt er den zu erwartenden Gewinn für Valencia 2007. America’s Cup und die kleineren Regatten im Vorfeld sollen insgesamt 10 Millionen Besucher anlocken. 2 Milliarden Menschen werden das Spektakel dann im Fernsehen verfolgen.

Das wiederum verspricht Werbeeinnahmen. Vorbild ist dabei Barcelona, das 1992 die Olympischen Spiele austrug. Die Stadt verdiente allein mit dem Maskottchen 18 Millionen Euro. Auf Milch und Keksen bis hin zur Sportkleidung sowie in unzähligen Fernsehprogrammen überall auf der Welt hatte der kleine Cobi damals seinen Auftritt und brachte Werbetantiemen. Valencia möchte auch diesen Erfolg wiederholen.

Doch bis am Mittelmeer die Kassen klingeln, muss noch hart gearbeitet und so mancher Euro investiert werden. 500 Millionen stellen Gemeinde-, Regional- und Zentralverwaltung bereit. 60 Prozent davon werden in den Um- und Ausbau des Hafens fließen. Die Becken des größten Containerumschlagplatzes im gesamten Mittelmeerraum werden mit einem neuen Deich versehen, der sie vom Freizeithafen trennen soll. Ein 800 Meter langer und 80 Meter breiter Kanal wird dafür sorgen, dass die Segeljachten in nur 15 Minuten am Startpunkt der Regatta sind. Rings um den neuen Jachthafen werden Museen, Wohnblocks, Restaurants und Hotels gebaut. Ein großes Meerwasser-Schwimmbad bietet Wasserspaß auch für kleinere Portemonnaies. Die restlichen Gelder gehen in die allgemeine Infrastruktur. So soll der Flughafen ausgebaut werden, damit auch Transatlantikflüge landen können. Außerdem hoffen die Valencianer, dass der für 2010 vorgesehene Hochgeschwindigkeitszug aus Madrid schon 2007 fertiggestellt wird, Bahnanschluss des Jachthafens inbegriffen.

Der America’s Cup wird so zum krönenden Abschluss einer seit längerem vorangetriebenen Stadtentwicklung, die bereits heute die Besucherzahlen in Valencia steigen lässt wie sonst nirgends auf der iberischen Halbinsel. Die Mittelmeermetropole hat sich in den letzten Jahren herausgeputzt wie sonst kaum eine spanische Stadt vergleichbarer Größe. Die Altstadt wurde saniert und verkehrsberuhigt, eine Straßenbahn lädt dazu ein, das Auto stehen zu lassen und im Bett des umgeleiteten Flusses Turia entstand die „Stadt der Künste und Wissenschaften“ mit mehreren prestigereichen Museen und dem größten spanischen Meerwasseraquarium. „Valencia hat endgültig einen Platz auf der internationalen Landkarte der Städte mit Projekt und Zukunft“, schwärmte selbst die ansonsten für zurückhaltende Berichterstattung bekannte größte spanische Tageszeitung El País, als die Entscheidung für Valencia 2007 fiel.

Die einzigen Stimmen, die zur Besonnenheit mahnen, kommen ausgerechnet von den Hoteliers. Sie fordern, an der Planung beteiligt zu werden und warnen vor Engpässen sowie Überkapazitäten zugleich. In den nächsten Jahren soll die Zahl der Betten von 18.000 auf 30.000 aufgestockt werden. Während des America’s Cup dürften sie dennoch knapp werden. Das wiederum könnte traditionelle Gäste, wie die Besucher der alljährlichen Industriemesse, vergraulen. Und wenn der Tourismus nicht wie von der Stadtverwaltung erwartet wächst, könnte nach der Regatta ein Überangebot an Hotelplätzen die Preise ins Wanken bringen.

Egal, ob der America’s Cup zu einem Strohfeuer gerät oder zu einer nachhaltigen Entwicklung des Tourismusbereichs führt, ein Sektor kann sich bereits jetzt die Hände reiben: die Grundbesitzer. Die Preise für Parzellen am Hafen sind bereits wenige Stunden nach der Entscheidung der Alinghi-Crew für Valencia um bis zu 50 Prozent gestiegen.