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Archiv-Artikel

Wanzen-Prozess vor dem Aus

Hauptbelastungszeuge verweigert die Aussage, um sich nicht selbst zu belasten. Staatsanwaltschaft räumt ein: Keine weiteren Beweise gegen die Angeklagten. Schuld sei die CDU. Wer warum welche Wanzen legte, bleibt wohl ungeklärt

Von sim
Der Zeuge schweigt. Alt-Aussagen zählen nicht. Und: „Sachbeweise haben wir nicht“

Bremen taz ■ Der Prozess um die Wanzen im CDU-Haus könnte zu Ende sein, ohne dass auch nur ein Quentchen mehr Licht ins Dunkel um die Abhöraffäre gekommen wäre. Nach dem Ausfall ihres Hauptbelastungszeugen räumte die Staatsanwaltschaft gestern ein, dass es kaum noch Beweise gebe, die die Anklage gerichtsfest stützen könnten. Der Berliner Detektiv und frühere Stasi-Mitarbeiter Ralf Beyer hatte bei der polizeilichen Vernehmung zunächst die jetzt wegen versuchten Abhörens und Betrugs angeklagten Geschäftsführer des Security Consulting Service (SCS) beschuldigt, ihn mit der Installation der Wanzen beauftragt zu haben. Vor Gericht wollte er diese Vorwürfe gestern nicht wiederholen. Er verweigerte die Aussage.

Eigentlich sind Zeugen zur Aussage verpflichtet – es sei denn, sie könnten sich selbst strafrechtlich belasten. Im Fall Beyer schien diese Gefahr zunächst nicht zu bestehen. Der Elektronik-Spezialist hatte schließlich in einem eigenen Verfahren bereits vor Monaten den Vorwurf akzeptiert, er habe im Auftrag der SCS-Geschäftsführer Klaus U. und Gero R. am 25. November 2000 die beiden Wanzen im CDU-Haus eingebaut, und war dafür rechtskräftig verurteilt worden. Ein erneutes Verfahren hätte ihm deswegen also nicht drohen können – weshalb er kein Aussageverweigerungsrecht gehabt hätte.

Dass ihm Richter, Staatsanwälte und Verteidiger dieses Recht gestern, nach längerer Beratung, trotzdem unisono zugestanden haben, hängt mit der Aussage eines anderen Zeugen zusammen: des Elektrikers, der – im Auftrag von Sigrid Wolfram, der Sekretärin des Bremer CDU-Landesvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Bernd Neumanns – die verdächtigen Steckdosen ausgetauscht und dabei, in Neumanns Büro, die erste Wanze entdeckt hatte. Der Unterbau der Lichtschalter und der Steckdose, so berichtete der Elektriker am Mittwoch, sei am Rand mit Wandfarbe überpinselt gewesen. Die Farbschicht habe er mit einem Messer durchtrennen müssen. Die Staatsanwaltschaft hatte daraus geschlossen, dass die Wanze vor 2001, als das Büro neu gestrichen wurde, eingebaut worden war. Auf Nachfrage eines Verteidigers räumte der Elektriker allerdings ein, dass er nicht sicher sei, ob die Farbschicht bei der verwanzten Steckdose die drei darüberliegenden Lichtschalter oder auch die verwanzte Steckdose nicht bereits gebrochen gewesen sei.

Damit, so Staatsanwalt Uwe Picard, stehe nun auch die „theoretische Möglichkeit“ im Raum, dass die Wanze zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt eingebaut worden sei. Spinnt man diesen Faden weiter, hätte Ralf Beyer, der mutmaßliche Wanzen-Installateur, gegenüber der Polizei gelogen und einen falschen Strafbefehl akzeptiert. Werde er in diesem Fall als Zeuge gehört, bestehe die Gefahr, dass er sich wegen falscher Anschuldigung von Klaus U. und Gero R. selbst belaste, führte Richter Hans Ahlers aus. Ergo habe der Zeuge das Recht, die Aussage komplett zu verweigern – was dieser gerne in Anspruch nahm.

Die neue Situation fasst Ahlers anschließend mit drei Sätzen zusammen: Beyer sei „eigentlich der einzige Belastungszeuge gewesen, der unmittelbar zu den Vorwürfen etwas hätte sagen können“. Die Beweiskraft seiner Aussagen gegenüber der Polizei seien „vorsichtig ausgedrückt: dürftig“. Und „Sachbeweise haben wir nicht“.

Die Staatsanwaltschaft will bis Montag entscheiden, ob sie eine weitere Beweisaufnahme für sinnvoll hält. Ursprünglich sollten am Mittwoch Wolfram, Neumann, CDU-Bausenator Jens Eckhoff sowie Fraktionsvize Helmut Pflugrath aussagen. Dass es dazu tatsächlich kommt, hielt Ahlers gestern Nachmittag allerdings für „unwahrscheinlich“.

Wahrscheinlich ist vielmehr, dass das Gericht schon nächste Woche ein Urteil fällt: Freispruch aus Mangel an Beweisen. Und dass schlicht im Dunkeln bleibt, wer warum und für wen Wanzen in den Büros von Neumann und Eckhoff installierte.

Picard schob die Schuld an dem Prozess-Debakel gestern der CDU zu. Hätte die gleich nach dem Anschlagen des Wanzenfinders des beauftragten Detektivs die Polizei eingeschalten, dann hätte man ordentlich Spuren sichern können – nicht zuletzt in puncto Wandfarbe. Neumann wies die Vorwürfe zurück. „Man kann nicht auf einen bloßen Verdacht hin einen Polizeieinsatz bemühen“, sagte er der taz. Er habe das Piepsen des Messgeräts schlicht nicht ernst genommen. Neumann: „Ich wollte nicht selbst Detektiv spielen.“ sim