Klimaproblem wird wieder aufgewärmt

Jürgen Trittin lobt sich vor dem Parlament für die deutsche Klimapolitik und mahnt zu größeren Anstrengungen. Eine britische Studie weist an der Hitzewelle 2003 erstmals nach, dass der Mensch das Risiko von extremen Wetterlagen stark erhöht hat

VON BERNHARD PÖTTER

Manchmal kommen wissenschaftliche Ergebnisse wie gerufen. „Der Klimawandel ist keine skeptische Prognose mehr, sondern bittere Realität“, sagte gestern der Grünen-Umweltminister Jürgen Trittin vor dem Bundestag. Trittins Regierungserklärung bezog sich auf das Kioto-Protokoll, das nach der Ratifizierung Russlands jetzt in Kraft treten kann, und auf die zehnte Klimakonferenz, die nächsten Montag in Buenos Aires beginnt. Gleichzeitig wurde eine britische Studie bekannt, die zum ersten Mal behauptet, sie könne eine Verbindung zwischen dem extrem heißen Sommer 2003 in Europa und dem menschlichen Einfluss aufs Klima nachweisen.

Das Kioto-Protokoll tritt offiziell am 16. Februar in Kraft und leite eine „klimapolitische Trendwende ein“, sagte Trittin. Der Minister verwies auf die führende Rolle Deutschlands in der internationalen Klimapolitik – auf den europäischen Emissionshandel ab Januar 2005, auf die Förderung der erneuerbaren Energien und darauf, dass Deutschland nur noch zwei Prozentpunkte von seinem Kioto-Ziel entfernt sei, seine Treibhausgase von 1990 um 21 Prozent zu senken. Sollte sich die EU darauf einigen, den Treibhausgasausstoß bis 2020 um 30 Prozent zu senken, werde Deutschland 40 Prozent reduzieren.

In Buenos Aires geht es ab Montag um die Frage: Was kommt nach Kioto? Einerseits müssten sich die Industrieländer ehrgeizigere Ziele stecken, forderte Trittin. Doch wichtig sei auch, Länder wie Indien und China zum Klimaschutz zu verpflichten – und die USA wieder ins Boot zu holen. „Ein Untätigbleiben können wir uns nicht leisten“, betonte der Minister. Die Flutwellen 2002 in Europa hätten 16 Milliarden Dollar Kosten verursacht, die Wirbelstürme in Florida 2004 gut 25 Milliarden.

Das untermauert eine Studie, die drei britische Forscher aus Reading und Oxford in der Zeitschrift Nature veröffentlicht haben. Sie kommen zu dem Schluss, es sei „mehr als zu 90 Prozent wahrscheinlich, dass der menschliche Einfluss auf das Klima das Risiko einer Hitzewelle (wie 2003) wenigstens verdoppelt hat“. Die Forscher stellten Klimamodelle mit nur natürlichen Faktoren einerseits und den menschlichen Einflüssen andererseits gegenüber. Ihr Ergebnis: Wenn die Durchschnittstemperaturen klettern, steigt auch das Risiko für Hitzewellen. „Das hat einen dramatischen Einfluss auf die Temperaturveränderung“, schreibt Nature.

Der Sommer 2003 war der heißeste Sommer seit 500 Jahren in Europa. Nach statistischen Berechnungen starben bis zu 35.000 vor allem alte und kranke Menschen mehr als üblich in Folge der großen und lang andauernden Hitze. Die Versicherungswirtschaft registrierte nicht versicherte Ernteschäden in Höhe von 12,3 Milliarden Dollar, Waldbrände in Portugal vernichteten Wald im Wert von 1,6 Milliarden Dollar. Weil Kraftwerke mangels Kühlwasser ausfielen, schoss der Strompreis teilweise auf über 100 Euro pro Megawattstunde. Normal ist ein Durchschnittspreis von etwa 30 Euro.