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Archiv-Artikel

Bundesanwaltschaft übt Druck aus

Hamburger Richter wollen heute über Freilassung des wegen 11.9.-Anschläge verurteilten Motassadeq entscheiden

Freigelassener Angeklagter beantragt Asyl, um nicht den USA in die Hände zu fallen

Hamburg taz/ap ■ Der wegen der Anschläge vom 11. September 2001 angeklagte und nun überraschend freigelassene Abdelghani Mzoudi hat politisches Asyl in Deutschland beantragt. Mzoudis Anwältin Gül Pinar bestätigte am Wochenende einen entsprechenden Bericht des Spiegel. Demnach befürchtet Mzoudi, der vor dem Hamburger Landgericht wegen angeblicher Zugehörigkeit zur so genannten Hamburger Terrorzelle vor Gericht steht, eine Abschiebung in seine Heimat Marokko, wo er den Amerikanern in die Hände fallen könne. Im Fall des bereits verurteilten Mounir El Motassadeq, dessen Freilassung ebenfalls beantragt ist, macht die Bundesanwaltschaft Druck auf die Hamburger Richter: Falls Motassadeq aus der Haft freikomme, rechne sie mit seiner Flucht, ließ sie verbreiten. Sowohl Mzoudi als auch Motassadeq waren letzte Woche durch eine Aussage eines in den USA Inhaftierten entlastet worden. Das Hamburgische Oberlandesgericht will heute über eine mögliche Haftentlassung Motassadeqs entscheiden.

Generalbundesanwalt Kay Nehm hatte am Freitagnachmittag die Zurückweisung der Anträge auf Haftentlassung Motassadeqs beantragt und fährt angeblich eine neue Zeugenaussage auf, die den Verurteilten belastet. Anwalt Andreas Schulz, der Angehörige der Opfer der Anschläge vertritt, sagte, Nehm habe einen Informanten, der über die Fluchtgefahr von Motassadeq eine vertrauliche Aussage gemacht habe.

Offiziell ist das alles aber nicht: Die Sprecherin der Bundesanwaltschaft verwies lediglich auf ihre Erklärung vom Freitag, wonach es keinen Anlass gebe, „die bisherige tatsächliche oder rechtliche Bewertung in Bezug auf die Verurteilung Motassadeqs abzuändern“.

Der Spiegel meldet darüber hinaus, dass die Vorlage der Mzoudi entlastenden Aussage, die dem in den USA inhaftierten Ramzi Binalshibh zugeschrieben wird, auf einer Panne beruhe. Bereits im Januar habe das BKA den Amerikanern einen Fragenkatalog zum Verhör Binalshibhs zugesandt, sei aber nicht davon ausgegangen, dass die Antworten den Hamburger Richtern zugingen. Die Bundesregierung habe dann aber entschieden, das Anfang November aus den USA geschickte entlastende Material dem Gericht vorzulegen.

Der bayerische Innenminister Günther Beckstein forderte derweil in bekannter Hardliner-Manier eine Kronzeugenregelung für radikale Islamisten. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei stößt in ein ähnliches Horn: Dass Mzoudi freigekommen sei, sei „ein Rückschlag für die Motivation der Strafverfolger“. Peter Ahrens