: Spitzentreffen im Vermittlungsausschuss
Schröder und Merkel verhandeln über neues Kompromissangebot der Regierung. Vorziehen der Steuerreform soll nur zu einem Viertel über neue Kredite finanziert werden. Ob die Vorschläge auch umsetzbar sind, ist bisher noch unklar
BERLIN taz ■ Die Stimmung war entspannt gestern kurz vor 17 Uhr, als die prominenten Unterhändler in den Vermittlungsausschuss strömten. „Ich bin kompromissbereit“, lobte sich Kanzler Schröder. CDU-Chefin Angela Merkel wiederum kündete durchaus strahlend an: „Wir sehen mit Spannung den Verhandlungen entgegen.“
Bis kurz vor Sitzungsbeginn war gerätselt worden, ob es zum Spitzentreffen im Vermittlungsausschuss kommen würde. Denn Merkel und CSU-Chef Edmund Stoiber hatten ein Ultimatum formuliert: Sie wollten sich mit Schröder nur treffen, wenn er ein neues Finanzierungskonzept für die vorgezogene Steuerreform unterbreitet.
Dieses neue Finanzierungskonzept liegt nun vor. Allerdings wollte sich niemand vorab über die Details äußern. „Wir werden die Ausführungen der Regierung diskutieren“ war schon alles, was Merkel verlauten ließ. Informierte Kreise wollten allerdings wissen, dass die Union das Angebot des Kanzlers ablehnen werde.
Dabei sei man der Union deutlich entgegengekommen, ließen wiederum Regierungskreise wissen: Die vorgezogene Steuerreform solle nur noch zu einem Viertel über Kredite finanziert werden. Das hatte besonders Stoiber immer wieder gefordert. Bisher hatte Finanzminister Eichel (SPD) vor, die Steuerverluste weitgehend durch Kredite zu kompensieren.
Insgesamt würde die vorgezogene Steuerreform zu Mindereinnahmen von 15,6 Milliarden Euro führen – allein der Bund würde etwa 7 Milliarden Euro weniger kassieren. Nach den neuen Plänen sollen diese Steuerausfälle nun weitgehend durch den Verkauf von Telekom- und Post-Aktien gedeckt werden. Außerdem sollen Subventionen gestrichen werden.
Gleichzeitig soll die Regierung auch bereit sein, den Ländern ein Jahr lang einen größeren Anteil an den Umsatzsteuern zuzugestehen. Dazu präsentierte Stoiber gestern sehr präzise Vorstellungen: Er verlangte 5,6 Milliarden Euro für die Länder; dies würde etwa 75 Prozent ihrer Steuerausfälle entsprechen. Den Rest müssten die Ministerpräsidenten über Kredite aufbringen.
Ein solches Zugeständnis würde der Union einen Kompromiss erleichtern – weil die Reihen endlich geschlossen werden könnten. Bisher lehnen die CDU-Ministerpräsidenten Wolfgang Böhmer und Georg Milbradt die vorgezogene Steuerreform ab – Sachsen-Anhalt und Sachsen, beide hoch verschuldet, könnten Einnahmeausfälle nicht verkraften. Die reichen Unionsländer Bayern und Baden-Württemberg wiederum schienen längst bereit, die vorgezogene Steuerreform mitzutragen. Auch Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) äußerte sich wohlwollend – muss er doch im nächsten Jahr eine Landtagswahl bestehen. Eine Steuerblockade wäre da nicht wählerwirksam.
Allerdings könnte es sein, dass sich ein Kompromiss zwar finden, aber hinterher nicht umsetzen lässt. Beispiel Privatisierungserlöse: Schon jetzt rechnet der Finanzminister damit, dass er im nächsten Jahr 2 Milliarden Euro einnimmt, indem er Telekom- und Post-Aktien verkauft. Und zu viele Aktien kann der Staat nicht an die Börse bringen – das würde die Kurse verderben. Zudem wird dieses Aktienvermögen noch gebraucht, um die Pensionsansprüche der ehemaligen Postbeamten zu finanzieren. Auch die Streichung der Subventionen ist gar nicht so einfach, denn vieles ist schon gestrichen, um den Haushalt 2004 auszugleichen. So ist die Eigenheimzulage dort bereits abgeschafft; die Pendlerpauschale wurde drastisch gekürzt – und ausgerechnet die Union ist nicht einverstanden. UH
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