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Archiv-Artikel

Ein „Schwindler“ im Dienst von Philip Morris

Der Schwede Raglan Rylander hat seine Forschungen zum Passivrauchen von der Tabakindustrie finanzieren lassen

STOCKHOLM taz ■ Der Medizinprofessor erhält drei Jahrzehnte lang Forschungsgelder vom Tabakkkonzern Philip Morris. Daraufhin kommt er bei seinen Untersuchungen zu den Gesundheitsgefahren des passiven Rauchens zu Ergebnissen, die so entlastend sind, dass Philip Morris hunderte von Links in sein Internetarchiv aufnimmt. Doch irrt, wer glaubt, dass Ragnar Rylander, mittlerweile Professor emeritus für Umweltmedizin an der Universität Göteborg, einen Zusammenhang zwischen den jährlich bis zu 85.000 Dollar Philip-Morris-Geldern und seinen Resultaten sieht.

Eine „Verfolgung meiner Person“ vermutete er, als ihn Anti-Tabakkonzern-Kreise unredlicher wissenschaftlicher Arbeit beschuldigten. Ein Genfer Gericht bescheinigte dem Professor nun allerdings, dass seine Forschungsergebnisse zum Thema Passivrauchen ein „beispielloser wissenschaftlicher Schwindel“ seien.

Ragnar Rylander hat selbst dafür gesorgt, dass er jetzt am Pranger steht und für die Personalisierung der fragwürdigen Sponsormethoden der Tabakindustrie herhalten muss. Neben seiner Tätigkeit in Göteborg hatte er einen Lehrauftrag an der Universität Genf. Auf einer Pressekonferenz im März 2001 enthüllten Pascal Diethelm und Jean-Charles Rielle von den Gesundheitsinititativen Cipret-Genève und Oxy Genève seine enge Zusammenarbeit mit dem Tabakriesen. Sie warfen ihm vor, die Uni Genf getäuscht und seine Forschungsresultate verfälscht zu haben. Die Universität beendete die Zusammenarbeit – und Rylander stellte Strafanzeige wegen Verleumdung gegen die beiden Anti-Tabak-Aktivisten.

Eine Verurteilung in zwei Instanzen hob das Revisionsgericht „Tribunal fédéral“ in Genf nun auf und sprach Diethelm und Rielle frei – die Begründung enthält die Passagen, die Rylander „beispiellosen Schwindel“ vorwerfen. Das wollte dieser in einem gestern veröffentlichten Gespräch mit der Tageszeitung Göteborgs Posten gar nicht begreifen: „Niemand hat je meine wissenschaftlichen Arbeiten in Frage gestellt.“ Da allerdings täuscht er sich: In der Medizinzeitschrift Lancet beschrieben zwei US-Forscher bereits im April 2000, wie die Tabakindustrie fragwürdige Studien finanziert, die einen Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Krebs verneinen. Sie erwähnen ausdrücklich den Namen Raglan Rylander.

Der 68-Jährige selbst verteidigt manche seiner Veröffentlichungen im Nachhinein teilweise damit, man habe „es zu dieser Zeit nicht besser gewusst“. Teilweise hält er aber an ihnen fest: Es sei nicht allein das Passivrauchen, „Ernährung und Lebensstil“ spielten eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Lungenkrebs. Er könne auch nichts dafür, dass die Tabakindustrie mit namentlichem Hinweis auf ihn damit wirbt, es gebe „keinerlei wissenschaftlichen Beleg für einen Zusammenhang zwischen Passivrauchen und Krebs“. Er hat sich aber nie dagegen gewehrt. REINHARD WOLFF