silke burmester
: Die Lotsen gehen von Bord

Wo wir auch hinschauen: Wichtige Meinungsmacher erschlaffen, streichen die Segel, legen die spitzen Edelfedern beiseite. Und warum?

Es ist so weit: Der Erschlaffungsvirus geht um. Harald Schmidt, dem bekennendernHypochonder und Maskottchen des Pharmakonzerns Hexal, folgen jene Herren, die einen Vormacher wie Schmidt brauchten, um im Fahrwasser eines Trends die Ermüdung als frei gewähltes Ziel zu verkaufen. Allerdings sind es die wahren Meinungsmacher Deutschlands. Kluggeister, denen ein hilfloser Chefredakteur auf dem Weihnachstfest einen Kolumnenplatz in Aussicht stellte, in der Hoffnung, dadurch Kontrolle über den Schaden zu haben. Erschlaffte, die eine Lücke hinterlassen: Die Bild-Parolenpistole Franz Josef Wagner und die Rakete unter den Chronisten, der hoch geschätzte taz-Wahrheitskolumnist Meinhard Rohr.

„Einmal Wagner – immer Wagner“ ist sich bis zuletzt treu geblieben. Noch immer stößt er verbale Kampfgeschosse aus wie andere Männer ihren Samen. Mit knapp 60 Jahren von einer publizistischen Potenz, die seine Konkurrenten in eine Schreibhemmung wirft, die diese nur durch Drogen kompensieren können. Und doch, die böse Feder ist müde. Kann seine eigene Wirrheit nicht mehr ertragen und stellte nun seinen Rückzug in Aussicht. Ihm trauern wir nicht nach.

Aber Meinhard Rohr? Dem es gelang, sich unter Pseudonym beim Spiegel eine zweite Existenz aufzubauen, durch pointierte, analytische, immer vom Selbst weit entfernte Reportagen, Features, Berichte? Meinhard Rohr, den alle nur „Die weiße Feder“ nennen, weil er es – als einer der wenigen 68er – geschafft hat, sich sein naives, ungetrübtes, ja reines Gemüt zu bewahren? Er ist ein Opfer der Intrige bei Sat.1 geworden. Er hat es für bare Münze genommen, als die Pressestelle von dem besorgniserregenden Zustand Schmidts sprach und der Kreativpause, die nun nötig sei. Rohr, geblendet von der Lüge des Senders, konnte die Brecht’sche, die Keuner’sche Analogie nicht erkennen, die in Schmidts Verweigerung lag, dem großen Bruder aus der Schweiz zu dienen. Meinhard Rohrs Spiegel ist beschlagen. Das kann vorkommen. Putzen wir diesen Spiegel gemeinsam. Bringen wir wieder Licht in das Dunkel, das seine Sinne trübt, den Weg versperrt. Sagen wir es mit den Ärzten: „Bitte, komm zurüüüüüüüüück!!!“