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Archiv-Artikel

Schrottplatz der Globalisierung

ABWRACKEN Sie stillen den Stahlhunger Bangladeschs und werden selbst nicht satt von der gefährlichen Arbeit als Schiffsverschrotter: „Die Eisenfresser“ (21.00 Uhr, Arte)

Handschuhe oder Helme gibt es genauso wenig wie Kranken- oder Unfallversicherung

VON SVEN HANSEN

Aus der Strandung eines Schiffes bei Chittagong im Osten von Bangladesch hat sich in den letzten 40 Jahren einer der größten Schiffsabwrackplätze der Welt entwickelt. Weil Küstenbewohner mit dem Stahl des Wracks Geld verdienen konnten, entstand dort ein Schrottplatz der Globalisierung.

25 Jahre beträgt heute die Nutzungsdauer von Containerfrachtern oder Tankern. Anschließend werden sie etwa in Bangladesch in Handarbeit zerlegt. Das südasiatische Land bezieht heute seinen gesamten Stahl aus abgewrackten Schiffen. Diese Recylingindustrie, die keine Sicherheits-, Arbeits- und Umweltvorschriften zu kennen scheint, ernährt dort rund drei Millionen Menschen.

Die vor Ort „Eisenfresser“ genannten Abwracker stehen im Mittelpunkt des mehrfach preisgekrönten gleichnamigen Dokumentarfilms des bengalischen Filmemachers Shaheen Dill-Riaz. Mit der Kamera begleitet er die aus dem Norden des Landes stammenden Bauern bei ihrer gefährlichen Arbeit. Die jährliche Hungersnot treibt sie in die Hände von Subunternehmen aus dem Süden. Die locken sie in eine Schuldenfalle und hauen sie mit allerlei Tricks übers Ohr. Da Löhne verspätet ausgezahlt werden, wagt niemand, rechtzeitig zur Ernte aufs Land zurückzukehren. Nur die Männer, die mit Schneidbrennern den Stahl zertrennen, stammen allesamt aus der Region Chittagong. Ihre mit 2,20 Euro pro Tag entlohnte Arbeit ist halbwegs gut bezahlt.

Die Qualität des Films besteht darin, die Perspektive der Arbeiter einzunehmen und sie bei ihren gefährlichen Jobs zu begleiten. Barfuß laufen sie über scharfkantiges Eisen, tragen zentnerschwere Stahlplatten oder Trossen auf ihren dünnen Schultern und schneiden riesige Teile aus den Schiffbäuchen heraus. Handschuhe oder Helme gibt es hier so wenig wie Kranken- oder Unfallversicherung.

Der Film selbst hält sich angenehm mit Kommentaren zurück, vielmehr wirkt er durch die Kraft der Bilder, die eine moderne Form des Manchester-Kapitalismus zeigen. Darüber hinaus begleitet der Film die Arbeiter in ihre Heimatdörfer und zeigt ihre dortigen Lebensumstände und Motivationen. Selbst ein Werftchef kommt zu Wort, wie er ein zum Abwracken gekauftes Schiff bei Flut auf den Strand setzen lässt. Seine Firma heißt PHP, was für „Peace, Happiness und Prosperity“ steht. Zynischer ist die Arbeit dort kaum zu beschreiben.