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Archiv-Artikel

Kaufe Schlankheitskur fürs Amt

Bürokratieabbau ist zu einem Markt geworden, für den es sogar eine eigene Messe gibt. Auch politisch verkauft sich das Schlagwort gut, obwohl die Verpackung mehr verspricht, als der Inhalt hält

AUS BERLIN DANIEL ZWICK

Gerhard Godehus-Meyer verkauft ein politisches Produkt. Der Geschäftsführer der Performa Nord GmbH bietet gewöhnliches Outsourcing für ungewöhnliche Kunden an: öffentliche Einrichtungen und Kommunen. Die Verwaltungen verlagern ihre Personalabteilung zu Performa und sparen damit 20 bis 30 Prozent ihrer Kosten. Die Firma ist ein Eigenbetrieb des Landes Bremen und ein Vorreiter im wachsenden Markt für Bürokratieabbau. Inzwischen gibt es sogar eine jährliche Messe, auf der sich Bürgermeister mit Dienstleistungen zur Entbürokratisierung eindecken können.

Das politische Schlagwort ist längst zum Geschäft geworden. Dabei konkurrieren kleine Entwicklungsabteilungen von Kommunen mit großen Beratungsfirmen wie Accenture und Softwareanbietern wie SAP. Vorteil der städtischen Anbieter: Sie wissen, wie Bürokraten ticken, denn sie sind selber welche.

Beispiel Mülheim an der Ruhr: Seit 1992 verkauft die Stadt ihre Software Winawos, ein Programm für kommunale Wohnungswirtschaft. „Wir haben das System selbst programmiert und entwickeln es weiter. Es ist bei 43 Kunden installiert“, sagt Manfred Busch, der Kommunalsoftware vermarktet. Daneben vertreibt die Stadt ein System für eigene Internetseiten und ein Programm zur Genehmigung von Schwertransporten. „Der Bürokratieabbau in den Kommunen läuft seit mehr als zehn Jahren, aus Kostengründen und weil wir den Druck der Bürger unmittelbar spüren“, sagt Buschs Kollege Niels Gründel.

„Die Kommunen liegen im Vergleich zu Ländern und Bund weit vorne“, sagt Hans-Joachim Hilbertz, Vorsitzender des Fachverbandes für Kommunales Management KGST. Anders als Ministerien würden Städte und Gemeinden wie moderne Unternehmen geführt, mit Kosten und Leistungsrechnung und Kundenorientierung. „Die Minister erzählen, sie würden die Vorschriften reduzieren, in Wirklichkeit erlassen aber sie nur weniger Vorschriften, die Gesamtzahl der Regeln steigt dagegen immer noch“, sagt Hilbertz.

Ute Vogt (SPD), Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, hält dagegen: „Wir haben es geschafft, die Bundesverwaltung effizienter und dienstleistungsorientierter zu machen“, lobt sie das eigene Bürokratieabbauprogramm. Insgesamt seien dadurch 750 Millionen Euro gespart worden. Seit Februar 2003 arbeitet die Bundesregierung an 74 Projekten zum Bürokratieabbau; 17 davon wurden bis September 2004 abgeschlossen. Antreiber ist Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD). Er arbeitet an 29 Projekten zur Vereinfachung von Regeln; zehn davon beraten momentan die Ausschüsse des Bundestags. Dabei geht es um Immissions-Genehmigungen, um Aufträge für Mietwagen, ein einfacheres Gaststättenrecht und vieles mehr. Doch im Kabinett stößt Clement auf Widerstand, vor allem aus dem Innen- und Finanzministerium. „Ein schlanker Staat, der dünn ist und keine Kraft hat, ist nicht, was wir uns wünschen“, sagt Ute Vogt. Es gehe eher darum, dass Bürokratie wieder akzeptiert werde.

„Einen großen Staat können wir uns nicht mehr leisten“, hält der CDU-Abgeordnete Michael Fuchs dagegen. Vogts Äußerung sei entlarvend. „Sie zeigt, dass die Regierung Bürokratie gar nicht abbauen will“, sagt er. Dabei sei es wichtig, Bürgern und Unternehmen mehr Freiheit zu geben.

Im Bundesrat profiliert sich das Land Baden-Württemberg mit Deregulierungsvorschlägen von Schornsteinfegern bis zur Mineralölsteuer. Der Gesetzesentwurf umfasst 57 Seiten. Bürokatieabbau lässt sich eben auch politisch prima vermarkten.