Väter mit Kinderwagen Mangelware

Gespaltene Bilanz nach einem Jahr: Das neue Erziehungsgeld-Gesetz gesteht Eltern viel Zeit für ihre Kinder zu – doch der finanzielle Anreiz, sich diese auch zu nehmen, ist gering. Was mit dazu beiträgt, dass vor allem Männer weiter voll arbeiten

„Viele Männer werden kritisiert, wenn sie mehr für ihre Familie da sein wollen.“

bremen taz ■ „Solange die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen nicht stimmen, nützt das beste Gesetz nichts“, sagt Ulrike Hauffe von der Zentralstelle für die Verwirklichung der Frau. Das Gesetz ist das neue Bundeserziehungsgeldgesetz. Es trat zum 1. Januar 2004 in Kraft, nach einem knappen Jahr zog die Bremer Arbeitnehmerkammer zusammen mit Hauffe eine erste Bilanz: guter Ansatz, doch bei der Umsetzung hapert es noch.

Der gute Ansatz: Seit Januar ist eine längere Elternzeit möglich. Väter und Mütter können ihre Auszeiten aufteilen und aufeinander übertragen – dadurch ist die Elternzeit nicht mehr auf 36 Monate beschränkt: Im Extremfall kann sie bis zu fünf Jahre dauern, ein Teil der Zeit kann sogar bis zum achten Lebensjahr des Kindes aufgehoben werden.

In Anspruch genommen wird die Elternzeit jedoch vor allem von Müttern: In Bremen stehen 2.300 Frauen zurzeit ganze sechs Männer gegenüber. Viele Männer scheitern offenbar mit ihrem Wunsch, als Vater ihre Arbeitszeit zu reduzieren und sich stattdessen um ihre Kinder zu kümmern, an der Realität: „Meist verdienen die Frauen weniger als die Männer, sodass eher auf ihr Gehalt verzichtet wird. Außerdem werden viele Männer kritisiert, wenn sie ihre Arbeitszeit verkürzen wollen, um für ihre Familie da zu sein“, sagt Hauffe.

Ein weiterer wichtiger Grund für die mangelnde Annahme der neuen Regelung ist nach Auffassung der Arbeitnehmerkammer die zu geringe Höhe des Erziehungsgelds. Das war mit der Gesetzesänderung vor einem Jahr sogar leicht verringert worden. Weitaus gravierender noch ist, dass längst nicht alle dieses Geld überhaupt bekommen – weil nämlich die Einkommensgrenzen um über 40 Prozent abgesenkt wurden. Durften etwa Verheiratete bis letztes Jahr noch ein Jahresnettoeinkommen von bis zu 51.130 Euro haben, um in den ersten sechs Monaten in den Genuss des vollen Erziehungsgeldes zu kommen, liegt die Einkommensgrenze nun bei ganzen 30.000 Euro. Für Alleinerziehende sank sie von 38.350 Euro auf 23.000 Euro pro Jahr.

„Die Mehrheit der Arbeitnehmer bekommt kein Erziehungsgeld“, kritisiert Ingo Schierenbeck, stellvertretender Geschäftsführer der Arbeitnehmerkammer. Deshalb überlegten sich Berufstätige mit Kinderwunsch dreimal, ob sie neben einem Karriereknick auch noch einen Einkommensverlust hinnehmen wollten.

Eine regelrechte Verärgerung hat Heike Harting, Leiterin der Erziehungsgeldstelle Bremen, bei den Betroffenen festgestellt: „Vor allem diejenigen, die bereits früher Erziehungsgeld bezogen haben, haben den direkten Vergleich und sind von dem neuen Erziehungsgeld enttäuscht.“

Schierenbeck hält eine Diskussion über die Neugestaltung des Erziehungsgeldes für dringend nötig, um das Kinderkriegen wieder attraktiver zu machen: „Das Erziehungsgeld sollte als höhere Lohnersatzleistung für alle gezahlt werden und nicht als Sozialleistung für wenige Bedürftige“, forderte er: „In Schweden läuft das sehr erfolgreich.“ Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (SPD) hat eine Debatte über eine solche Änderung des Erziehungsgeldes bereits angekündigt. Ulrike Schröder

Der Ratgeber „Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit“ der Arbeitnehmerkammer ist für alle Bremer ArbeitnehmerInnen kostenlos.