: „Keine Wahl“
Terroranschläge und ihre Darstellung im TV: Was darf man zeigen? Wann schürt man Angst? Fragen an den ZDF-Terrorismusexperten Elmar Theveßen
INTERVIEW HANNAH PILARCZYK
taz: Herr Theveßen, jedes Mal, wenn es einen größeren Anschlag gibt, erscheinen Sie in den „heute“-Nachrichten und erklären die Hintergründe. Sind Sie ein Terrorismusgewinnler?
Elmar Theveßen: Nein. Dafür ist meine Aufgabe viel zu unangenehm. Ich muss dauernd schlechte Nachrichten überbringen.
Der Film „Tag X“ (siehe Besprechung rechts), an dem Sie mitgearbeitet haben, beschäftigt sich mit den Folgen eines möglichen Terroranschlags in Deutschland. Wie wahrscheinlich ist so ein Anschlag?
Weltweit ist das Risiko eines Anschlags momentan sehr hoch. Das hat vor allem der Einmarsch in den Irak stark gefördert. Aber auch in Deutschland, das den Irakkrieg nicht unterstützt hat, ist die Gefahr sehr groß. Je mehr hier dem Terrorismus der Kampf angesagt wird und radikaler Islamismus bekämpft wird, desto mehr ist Deutschland gefährdet.
„Tag X“ macht auf Schwachstellen im Katastrophen- und Terrorschutz aufmerksam. Heißt das, die Anschlagsgefahr steigt, wenn diese Mängel beseitigt werden?
Wenn wir die Gangart gegen Extremisten hier in Deutschland verschärfen, kann dadurch die Gefahr von Anschlägen auf deutsche Ziele kurzfristig auch zunehmen. Aber wir haben keine andere Wahl, denn wenn wir die Extremisten gewähren lassen, werden sie hier Anschläge auf amerikanische, britische oder jüdische Ziele verüben, bei denen dann natürlich auch Deutsche zu Schaden kommen. Umso wichtiger ist es, den Schutz vor Anschlägen und die Katastrophenpläne zu verbessern.
Welche Verantwortung hat das Fernsehen bei der Berichterstattung über Terrorismus?
Wir müssen für eine angemessene Darstellung des Terrorismus, seiner Folgen und seiner Ursachen sorgen. Dafür dürfen wir weder unnötig alarmieren noch beschwichtigen. Im Fall von „Tag X“ glaube ich, dass wir als öffentlich-rechtliche Anstalt den ausdrücklichen Auftrag haben, auf gravierende Schwachstellen beim Schutz der Bevölkerung aufmerksam zu machen.
Was genau heißt „angemessene Darstellung“?
Wir zeigen zum Beispiel grundsätzlich keine kompletten Bin-Laden-Videos, und auch von den Aufnahmen, in denen Geiseln enthauptet werden, zeigen wir nur noch Standbilder, weil die Aufnahmen die Menschenwürde der Geiseln verletzen. Ansonsten bemühen wir uns natürlich, die uns vorliegenden Informationen sorgfältig auszuwerten und sie erst dann unseren Zuschauern zu präsentieren.
Wollen Sie Otto Schily Argumente für weitere so genannte Sicherheitspakete liefern?
Wir reden keinem das Wort für neue Gesetze. Um die Mängel, die wir aufzeigen, zu beheben, bedarf es keiner neuen Gesetze. Das bestehende Werkzeug muss nur besser genutzt werden.
Muss man viel Lärm machen, um Minimales zu erreichen?
Nein, das „Tag X“-Szenario von mehrfachen Anschlägen auf die Berliner U-Bahn ist absolut realistisch, ja fast konservativ. Wir wollen einfach drei Dinge klar sagen: wie groß in Deutschland die Bedrohung durch Anschläge wirklich ist, wie gut wir darauf vorbereitet sind und wie wir uns noch besser schützen können.