: Weihnachtserlebnis Demo-Shopping
Mehrere hundert Menschen beim Bambule-Protest in der Hamburger City: Konfuser Polizeinsatz lässt geordnete Demo nicht zu und legt lieber die Innenstadt lahm. Nach der Blamage wächst die Kritik im Polizeiapparat an den „Hemdsärmeligen“
von MAGDA SCHNEIDER
Ein Polizeieinsatz hat am Samstag in der Hamburger City für fünf Stunden zu chaotischen Zuständen geführt. Wasserwerfer und Panzerwagen kurvten vor dem Weihnachtsmarkt, in Einkaufsstraßen versperrten Polizeiketten den Weg und ließen Leute nur nach Kontrollen durch. Grund: Jegliche Bambule-Proteste für einen neuen Wagenplatz und gegen Demonstrationsverbote sollten unterbunden werden. Doch während des Großeinsatzes sank die Moral des „Green Teams“ auf den Nullpunkt. „Früher haben wir sie laufen lassen, dann wären sie in einer halben Stunde aus der City verschwunden“, kritisierte ein Polizeioffizier gegenüber der taz die Taktik. „Aber bei uns wird ja nicht mehr strategisch gedacht.“
Dabei hatte Szene-Pastor Christian Arndt die Situation vor Ort noch entschärfen wollen, indem er eine geordnete Spontandemo anmeldete. Denn das Oberverwaltungsgericht (OVG) hatte in der Nacht eine Route durch die Steinstraße genehmigt und damit das polizeiliche Innenstadt-Verbot einkassiert. Und so versammelten sich auch mehrere hundert BambulistInnen zunächst unbehelligt am Ida-Ehre-Platz, bevor Polizeikräfte die Versammlung ohne Vorwarnung einkesselten.
Die Verhandlungen zwischen Pastor Arndt und Einsatzleiter Torsten Seeland, eine Demo aus der City über die Mö ins Schanzenviertel zuzulassen, scheiterten jedoch an den „Hemdsärmeligen“ im Polizeipräsidium. Das ist eine Clique von Offizieren, die der bayrische Polizeipräsident Udo Nagel um sich geschart hat. Diese wollten die Bambule-Demo nur kurz auf die Steinstraße lassen und dann – entgegen dem OVG-Beschluss – mit vollem Einsatz aufmischen, um die „Spreu vom Weizen“ zu trennen.
Doch bei der Umsetzung dieses Plans ereigneten sich nur noch Pleiten, Pech und Pannen. Die Koordination zwischen den Einheiten aus Bund und Ländern versagte. Während Einsatzführer das Eine befohlen, befolgten andere Einheiten auf Weisung ihrer Vorgesetzten genau das Gegenteil. Ganze Rudel von PolizistInnnen irrten am letzten verkaufsoffenen Samstag vor Weihnachten zwischen den Passanten umher. „Das mach‘ ich nicht mehr mit!“, brüllten sich Polizeioffiziere an. Schließlich zogen Einsatzführer die Notbremse und beriefen nach Vorbild der autonomen Szene ein Plenum ein. „Das ist doch Affenkram, was wir hier machen, diese Taktik kann doch niemand nachvollziehen“, sagte ein ranghoher Beamter, was Kollegen bestätigten: „Alles Dödelkram!“
Noch bevor der Entscheidungsprozess der Polizeiführer beendet war, die Bambulisten „laufen zu lassen“, hatte sich bereits eine Menge von mehreren hundert Menschen auf der Mönckebergstraße formiert. Lauthals zogen sie brav über die traditionelle Innenstadtroute in Richtung Jungfernstieg, obwohl der Weg zum Rathausmarkt völlig frei war.
Danach entwickelte sich ein stundenlanges Katz- und Maus-Spiel: Immer wieder tauchten in den Nobelmeilen Neuer Wall und Große Bleichen Bambulistas auf und skandierten „Gegen Gesetze, gegen die Hetze – für mehr Bauwagenplätze“. Eine Polizistin erteilte charmant Platzverweise: „Gehen Sie in Ihr Viertel zurück und kaspern Sie hier nicht rum.“ Einzelne Polizeitrupps reagierten aber auch ihren Frust durch Verfolgungsjagden ab. Dabei sind 75 Personen festgenommen worden.
Als sich zum Abschluss Bambulisten erneut auf dem Gänsemarkt formierten und skandierten „Mehr Sozi, mehr Rente – weg mit der Polente“ machte das „Green Team“ genervt gar nicht mehr den Versuch, noch irgendeinen Protest zu unterbinden. Anders hingegen in den benachbarten Einkaufsstraßen. Da mussten Männer gestylt aussehen und Frauen hochhackige Schuhe tragen, um die Polizeisperren problemlos passieren zu können. Ein Einsatzleiter: „Ohne Gesichtskontrolle kommt hier niemand mehr durch.“
Advents-Shoppen im schwarz-schillernden Hamburg bleibt eben ein Erlebnis.