: Das Comeback des Salzes
Die Berliner Stadtreinigung will in diesem Winter erstmals wieder verstärkt Salz streuen. Denn das soll in seiner Ökobilanz weniger schädlich sein als Rollsplitt. Umweltschützer sind jedoch skeptisch
von BASTIAN BREITER
Noch hat der Wintereinbruch auf sich warten lassen. Sollten die Temperaturen der nächsten Tage den Berlinern aber nicht nur eine weiße Weihnacht, sondern auch glatte Straßen bescheren, wird das drohende Verkehrschaos in diesem Jahr nicht mehr mit Rollsplitt bekämpft. Denn zum ersten Mal seit Jahren darf die Berliner Stadtreinigung (BSR) die Straßenglätte wieder mit Salz bekämpfen.
Das erlaubt eine Änderung des Straßenreinigungsgesetzes vom Oktober dieses Jahres. Denn bisher war Salz außerhalb der Stadtautobahnen nur bei extremer Glätte erlaubt. Der Berliner Senat und die BSR folgen damit dem Konzept des „Differenzierten Winterdienstes“, welches auf eine neuere Studie des Freiburger Öko-Instituts zurückgeht. Die kommt zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von so genanntem Feuchtsalz aus ökologischer Sicht weniger schädlich ist als der von „Glätte abstumpfenden Streumitteln“ wie Rollsplitt. Denn dieser muss mit hohem Energieaufwand hergestellt – und auch wieder eingesammelt werden.
Als „ideale Kombination“ begrüßte Daniel Buchholz, umweltpolitischer Sprecher der SPD, deshalb die neue Winterdienstrichtlinie der BSR, die eine Umstellung von Rollsplitt auf Feuchtsalz vorsieht. Der Einsatz von Feuchtsalz, so Buchholz, sei aufs Ganze gesehen „ökologischer“. Schließlich sei nach dem letzten Winter die Entsorgung von rund 100 Tonnen Rollsplitt angefallen. Rollsplitt soll in Zukunft nur noch auf Gehwegen eingesetzt werden, wo Salz auch weiterhin verboten bleibt.
Im Unterschied zu dem verbotenen Trockensalz ist Feuchtsalz eine breiartige Salzmasse, die mittels einer Zerstäubungsvorrichtung auf die Fahrbahn gesprüht wird. „Während Trockensalz zu einem großen Teil verweht wurde und deshalb auch die Baumflächen schädigte, bleibt Feuchtsalz wirklich auf der Straße, wo es wirken soll“, so Buchholz gegenüber der taz. Durch die wegfallende Entsorgung des Rollsplitts ergäben sich außerdem jährliche Einsparungen von rund 2,5 Millionen Euro.
Auch bei der BSR will man beim Winterdienst zukünftig vor allem die Ökobilanz mitbedenken. Es sei erklärtes Ziel, den „bestmöglichen Kompromiss zwischen Verkehrssicherheit, größtmöglichem Umweltschutz sowie Wirtschaftlichkeit zu erreichen“, heißt es hier. Nach dem Konzept des „differenzierten Winterdienstes“ will die BSR ihre Streuflotte deshalb auch häufiger einsetzen als bisher. Das jedoch aus ökologischen Gründen: Ein dreijähriges Versuchsprojekt in Reinickendorf hat ergeben, dass weniger Salz benötigt wird, wenn bei Blitzeis oder Eisregen vorbeugend gestreut wird.
Umweltschützer sind misstrauisch: Das könne nur bei einer sehr umsichtigen Einsatzpraxis aufgehen, so Jürgen Hermann vom Naturschutzbund (Nabu) Berlin. „Es war eine große Errungenschaft, das Streusalz abzuschaffen.“ Er ist sich nicht sicher, ob der erneute Einsatz von Salz nicht doch Umweltbelastungen mit sich bringen wird. „Wir müssen das deshalb genau beobachten.“ Auch die Grünen-Sprecherin Felicitas Kubala bezweifelt, ob der ökologische Anspruch der BSR sich wirklich durchsetzen lässt. „Die BSR steht bei Glatteis gerade durch die Medien unter Druck.“ Deshalb befürchtet sie, dass zu viel Salz zum Einsatz kommt.
Eine Befürchtung, die der Sozialdemokrat Buchholz nicht teilt: „Der Grundsatz, so wenig Salz wie irgend möglich einzusetzen, wird weiterhin gelten.“ Deshalb, so Buchholz, werde durch mehr Streueinsätze die Belastung der Berliner Straßenbäume auch nicht steigen.