: Neonazis bedrohen Polizeichef
Rechtsextreme Kameradschaften terrorisieren einen Polizeidirektor – bei Aufmärschen und mit Steckbriefen. Innensenator Körting beobachtet die persönlichen Anfeindungen mit großer Sorge
VON FELIX LEE UND PLUTONIA PLARRE
Schwarze Listen mit Namen politisch unliebsamer Gegner sind bei Neonazis seit Jahren gang und gäbe. Doch nun richtet sich der personifizierte Zorn der Rechtsextremisten erstmals gegen einen führenden Polizisten. Unter Beschuss steht der Leiter der Direktion 6, Michael Knape, zuständig für die Bezirke Marzahn-Hellersdorf, Lichtenberg und Treptow-Köpenick.
Das Bedrohungsszenario, dem Knape ausgesetzt ist, ist vielfältiger Natur: Bei einem braunen Aufmarsch am vergangenen Samstag in Treptow-Köpenick soll der bundesweit bekannte Hamburger Neonazi Christian Worch dem Polizeidirektor direkt ins Gesicht gesagt haben: Man wisse ja, wo er wohne. So unverhohlen sei auf einer Versammlung noch nie einem Polizisten gedroht worden, heißt es aus Polizeikreisen. Organisiert war der Aufmarsch von der „Berliner Alternative Südost“, kurz Baso. Die 20 Mitglieder starke rechtsextreme Kameradschaft um den ehemaligen NPD-Kader René Bethage macht seit Monaten mit Aktionen von sich reden.
Die Polizei vermutet, dass auch der anonyme Telefonterror nachts bei Knape aus dem rechten Kameradschaftsspektrum kommt, ebenso, dass Steckbriefe in seinem Wohngebiet hängen. Zudem ist eine CD in rechten Kreisen im Umlauf, auf der ein Hasslied gegen den Polizeidirektor zu hören ist. Sie wird der rechtsextremen Band „Spreegeschwader“ zugeschrieben. Die Versuche rechter Aufmärsche vor Knapes Wohnhaus in Heiligensee konnte die Versammlungsbehörde bisher verbieten.
Dass die Neonazis ausgerechnet Knape im Visier haben, ist kein Zufall. Seit Jahren leitet er Einsätze gegen die rechte Szene, die insbesondere in Lichtenberg und Treptow-Köpenick besonders aktiv ist. Wie kaum einer vor ihm hat der 52-Jährige den Rechten den Kampf angesagt – und er geht nicht zimperlich mit ihnen um. Eine besondere Blöße mussten sich Neonazis geben, als Polizisten unter Knapes Leitung sie bei eisigen Temperaturen aufforderten, ihre Hemden auszuziehen, weil sie Kleidung mit verbotenen Nazi-Logos trugen.
Knape selbst will die persönlichen Angriffe nicht kommentieren. „Die Drohungen werden uns in keiner Weise abhalten, den Kurs der Polizei fortzusetzen“, sagt Polizeijustiziar Oliver Tölle. Auch Innensenator Ehrhart Körting (SPD) steht voll und ganz hinter dem Direktionsleiter. „Wir setzen alles daran, Herrn Knape zu schützen“, sagte Körting. Er sei sich mit Knape einig, dass man sich dem Druck nicht beugen werde. Neu sind ihm die personifizierten Anfeindungen nicht. Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses hatte Körting am Montag deutlich gemacht, dass er die zunehmend aggressive Haltung von Neonazis gegenüber Polizisten bereits seit einiger Zeit „sehr ernst“ nehme.
Von einer neuen Qualität möchte auch Frank Jansen nicht sprechen, zuständig für den Bereich Rechtsextremismus beim Tagesspiegel. Auch er ist schon mehrfach offen bedroht worden. Sein Name steht auf einer Schwarzen Liste der Neonazis, die im Netz unter einer so genannten Anti-Antifa-Homepage zu finden ist. In Wellenform habe es Drohungen dieser Art immer wieder gegeben, erklärt Jansen.
Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv (Apabiz) weist darauf hin, dass Ausländer und Punks nicht nur hohlen Drohungen ausgesetzt seien. Gewalttätige Übergriffe sind längst Alltag.