: Vice President und Bauchtänzerin
Nicht nur Hermann-Josef Arentz hatte einen lukrativen Nebenjob. Politiker in NRW scheinen wirklich belastbar zu sein: Auch drei Jobs sind vielen noch nicht zu viel. Was sie dafür nebenbei kassieren, bleibt bisher meist ihr Geheimnis
BERLIN/DÜSSELDORF taz ■ Elmar Brok vereinigt viele Ämter: Der Journalist ist CDU-Abgeordneter im Europaparlament und leitet dort den auswärtigen Ausschuss – gleichzeitig ist er „Senior Vice President“ im Bereich „Media Development“ der Bertelsmann AG. Zudem sitzt er im CDU-Bundesvorstand.
Dort saß bis vor kurzem auch Hermann-Josef Arentz. Doch ihn wählte die Parteibasis nicht mehr wieder, nachdem herausgekommen war, dass er von der RWE 60.000 Euro jährlich kassiert hatte – ohne jemals in seinem Büro zu erscheinen. Es füllte ihn aus, im Landtag zu sitzen und den CDU-Arbeitnehmerflügel anzuführen.
Da scheint Brok belastbarer. „Er arbeitet“, betont ein Bertelsmann-Sprecher. Die Tätigkeitsbeschreibung: Brok solle „die internationalen gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen beobachten und mit Blick auf Investitionen bewerten“.
Wie Brok und Arentz haben etliche NRW-Politiker weitere Einkünfte. So gibt die CDU-Abgeordnete Andrea Milz an: „Hobby-Bauchtänzerin, gelegentlich gegen Honorar“. Anderen wiederum gelingt es, das Landtagsmandat mit einem Gewerkschaftsposten zu verbinden. Der SPD-Abgeordnete Rainer Bischoff ist gleichzeitig Vorsitzender der DGB-Region Niederrhein; Werner Bischoff (SPD) und Fritz Kollorz (CDU) sitzen im Hauptvorstand der IG BCE.
Von 231 Landtagsabgeordneten üben 84 einen Beruf aus – 39 sind abhängig beschäftigt, 45 selbstständig. Diese Zahlen hat die Landtagsverwaltung mühsam ermittelt. Zwar muss jeder Parlamentarier mitteilen, ob er „gegenwärtig“ einen Beruf ausübt, doch viele haben die Frage falsch verstanden. So gibt der SPD-Abgeordnete Peter Budschun an, er sei Polizeibeamter. „Das wäre eigentlich gut“, lacht eine Mitarbeiterin, „da trifft man die meisten Bürger.“ Tatsächlich lässt er seinen Beruf ruhen.
Konfusion herrscht auch bei der Rubrik „vergütete und ehrenamtliche Tätigkeiten“ in Aufsichts- oder Verwaltungsräten. Manche Landtagsabgeordnete lassen wissen, ob sie dafür Geld erhalten, andere schweigen. „Dafür haben wir keine Erklärung“, sagt die Landtagsverwaltung.
Manchmal sind nicht gegenwärtige, sondern vergangene Tätigkeiten problematisch. Gegen den SPD-Abgeordneten Hardy Fuß ermittelt die Staatsanwaltschaft, weil er in die Müllaffären des Entsorgungsunternehmers Trienekens verwickelt sein könnte. Fuß war bis 2002 einer seiner Angestellten. „Die Ermittlungen dauern an“, bestätigte Oberstaatsanwalt Siegmar Raupach.
Ermittelt wird auch gegen den CDU-Landtagsabgeordneten Richard Blömer. Eine seiner Affären: Er ist gleichzeitig Geschäftsführer der unionsnahen Jakob-Kaiser-Stiftung und soll Seminargelder in die Parteikasse umgeleitet haben. Auch Blömer fühlt sich der Doppelbelastung als Abgeordneter und Geschäftsführer gewachsen: Man müsse „die Arbeit vernünftig einteilen“.
Der Politikwissenschaftler Ulrich von Alemann hält nichts davon, Nebentätigkeiten zu untersagen: „Dann hätten wir nur Berufsparlamentarier. Wir wollen doch Abgeordnete, die in der Gesellschaft verankert sind und ihr eigenes Geld verdienen können.“ Allerdings hätte er einen „revolutionären Vorschlag“: Die Höhe der Nebeneinkünfte müsste angegeben werden. Viel Hoffnung macht er sich nicht: „Die Freiberufler würden es als Eingriff in das Berufsgeheimnis werten, wenn jeder erfahren kann, wie viel ihre Klienten zahlen.“
Dass sich auch ohne Privatjob leben lässt, zeigt Ingo Wolf. Der FDP-Abgeordnete und Fraktionschef in Land- und Kreistag von Euskirchen kumuliert Diäten und Aufwandsentschädigungen. Zusammen mit seiner Pension als Oberkreisdirektor a. D. summiert sich dies auf etwa 230.000 Euro im Jahr. Damit erhalte „Florida-Wolf“ sogar „mehr als der Bundeskanzler“, spotten die Grünen. PASCAL BEUCKERULRIKE HERRMANN