der wochenendkrimi : Hört die Signale!
„Tatort: Vorstadtballade“, So., 20.15, ARD
Der Volkschor Almenrausch probt „Die Internationale“. Die Zither wird beschwingt gezupft, die Stimmen beschwören stramm die Solidarität der Arbeiter. Doch schon beschweren sich die ersten Mitglieder, man mag den Sozis zum hundertjährigen Jubiläum des Münchner Gesangsverein kein Ständchen singen. Nun hält sich die Solidarität in der Nachbarschaft sowieso in Grenzen. Jeder betrügt hier jeden. „Vorstadtballade“ ist eine kleine, feine, allerdings nicht immer gut riechende Milieustudie geworden. Im Keller einer Wirtsstube hat man einen Gast erhängt aufgefunden; Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Batic (Miroslav Nemec) merken schnell, dass sich auch die Trinkgefährten vom Stammtisch des Toten bedroht fühlen. Daraus entwickeln Autor Robert Hültner und Regisseur Martin Enlen einen Krimiplot, der zwar vorhersehbar, aber auch mit genauen Beobachtungen gespickt ist.
Die Stimmung ist so finster, so knorrig, so ungelüftet, wie man das erwarten darf in einer Welt, wo Kneipen „Friedenseiche“ heißen. Ein rhythmisch nuancierter „Tatort“, der von der Souveränität des BR zeugt: Statt auf einen starren Look zu setzen, wird für jede Episode ein kleiner neuer Kosmos entworfen. Nach dem so spinnerten wie beherzten Kifferkrimi aus der Seniorenszene, der uns im November viel Freude bereitet hat, wird der Zuschauer nun mit dem bajuwarischen Pöbelspießertum konfrontiert. Das Klischee erhält freilich keinen Raum: Aus dem dumpf alkoholisierten Genörgel steigt unerwartet manch sanfte Melodie empor. Eine Vorstadtballade eben. CHRISTIAN BUSS