Es fehlt der Ersatz für den Ersatzdienst

Die Abschaffung der Wehrpflicht könnte der Koalition leichter fallen als der Abschied von der Armee der Zivildienstleistenden. SPD-Ministerin Renate Schmidt setzt auf mehr Freiwillige, die grüne Abgeordnete Schewe-Gerigk warnt: Das wird nicht reichen

VON GESINE WULF
UND LUKAS WALLRAFF

Wer A sagt, muss auch B sagen. Dass immer mehr SPD-Politiker die grüne Forderung nach Einführung einer Berufsarmee unterstützen, bedeutet für den freudig erregten kleinen Koalitionspartner deshalb nicht nur Grund zum Jubel, sondern gleich viel Arbeit im neuen Jahr.

Es reiche nicht aus, die Abschaffung der Wehrpflicht zu verlangen, sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Irmingard Schewe-Gerigk gestern der taz. „Wir müssen so schnell es geht ein eigenes Konzept für die Zeit danach anbieten.“ Spätestens wenn die Regierungskommission zur Zukunft des Zivildienstes Anfang nächsten Jahres ihre Ergebnisse präsentieren werde, müssten „auch wir Grüne erklären, wie wir uns einen Ersatz für den Ersatzdienst vorstellen.“

Vor allem die direkt betroffenen Wohlfahrtsverbände wollen wissen, wer künftig die Arbeit erledigen soll, die bisher von Zivildienstleistenden übernommen wird. Kaum hatte Familienministerin Renate Schmidt (SPD) gestern das nahende Ende des Zivildienstes in Aussicht gestellt, sprach die Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Sachsen, Regina Mannel, bereits von einer „Katastrophe“. Sie befürchtet, dass auf „Zusatzdienste“ von Zivildienstleistenden wie die Begleitung schwer behinderter Studenten in Universitäten künftig verzichtet werden müsse. Bei den unverzichtbaren sozialen Leistungen drohe eine „Kostenlawine“ für die Kommunen sowie die Kranken- und Pflegekassen, weil Zivis durch teure Fachkräfte ersetzt werden müssten, warnt Mannel.

Bei Rot-Grün gibt es dazu von den prominenten Befürwortern einer Abschaffung der Wehrpflicht bisher nur relativ vage Absichtserklärungen, wonach die freiwilligen Dienste gestärkt und gefördert werden sollen. „Wir müssen Anreize schaffen, das freiwillige soziale oder ökologische Jahr attraktiver zu machen“, sagt Grünen-Chefin Angelika Beer. Auch Schmidt will die freiwilligen Dienste „deutlich ausbauen“. Doch das dürfte kaum genügen, um die Arbeit der Zivis zu ersetzen.

„Wir wissen natürlich auch, dass einige neue Stellen geschaffen werden müssen“, räumt Schewe-Gerigk ein, die für die Grünen im Familien- und Jugendausschuss des Bundestags sitzt. Die Versorgung älterer und behinderter Menschen werde dadurch verteuert. „Die Gesellschaft muss das akzeptieren und diese Leistungen auch bezahlen.“ Die Einführung eines sozialen Pflichtjahres, die Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) kürzlich ins Gespräch gebracht hatte, lehnen Schmidt und die Grünen unisono ab.