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Archiv-Artikel

NRW-Städte überziehen Konto für den Osten

Verschuldete Kommunen können den Aufbau Ost nicht mehr leisten. OBs schlagen Aussetzung der Zahlungen vor

DÜSSELDORF taz ■ Bei den hoch verschuldeten Kommunen in NRW wächst der Unmut über die Transferleistungen in die neuen Bundesländer. Immer mehr Bürgermeister fordern, die Zahlungen von West nach Ost zu überdenken – die West-Kommunen zahlen für den Aufbau Ost indirekt durch Gewerbesteuerumlagen und den Fonds Deutsche Einheit. Allein in diesem Jahr flossen 116 Milliarden von West nach Ost. Und der Solidarpakt II sieht Transferleistungen bis 2019 vor.

Einer der Unzufriedenen ist Michael Grossmann (CDU), Bürgermeister des westfälischen Werl. Er schlägt vor, die Zahlungen in den Fond für besonders arme Kommunen für zwei Jahre auszusetzen. Eine Million Euro investiere Werl jährlich in den Aufbau Ost. Dabei klaffe im eigenen Haushalt ein Loch von drei bis vier Millionen. „Wir müssen das eigene Konto überziehen, um das Geld gleich weiterzugeben“, so Grossmann zur taz. Auch die Stadtoberhäupter von Lünen und Selm wollen die Zahlungen aussetzen. Dass ihr Hilferuf gehört wird, glaubt Grossmann aber nicht: „Im Moment werden wir keine Chance haben.“

Bereits vor einigen Jahren hatte der Städtetag NRW einen entsprechenden Vorstoß gewagt, die Reaktion des damaligen SPD-Landesfinanzministers Peer Steinbrück war deutlich: „Das Ruhrgebiet soll lieber in die Hände spucken, statt auf den reichen Onkel aus Amerika zu warten.“

Alles nur Neid und Gejammer? Die Stadt Gelsenkirchen wollte es wissen und hat einige Oststädte verschuldeten Kommunen in NRW gegenübergestellt: Die Pro-Kopf-Verschuldung Gelsenkirchens liegt bei 1160 Euro, in Dortmund und Herne bei über 1600 Euro. Vergleichbar verschuldet sind im Osten Leipzig und Dresden. Potsdam oder Cottbus geht es dagegen besser als den meisten Städten im Ruhrgebiet: Dort liegt die Pro-Kopf-Verschuldung bei 500 bis 600 Euro. Und so in den Miesen wie Duisburg ist keine der untersuchten Städte im Osten: 2.500 Euro haben sich dort pro Einwohner an Schulden angesammelt.

Die Stadt Iserlohn hat ein Pro-Kopf-Verschuldung von „nur“ 700 Euro und gehört damit zu den reicheren Gemeinden im Land. Trotzdem kann CDU-Bürgermeister Klaus Müller den Zahlungs-Unmut vieler Kollegen verstehen. Würden jedoch nur die extrem verschuldeten Kommunen von den Zahlungen ausgelassen, werde er das „gar nicht einsehen“. Erst müsse geprüft werden, „welche Schulden hausgemacht sind und welche nicht“.

NATALIE WIESMANN