Im Profil: Irans Botschafter bei ThyssenKrupp

ThyssenKrupp verändert seinen Aufsichtsrat: Auf Druck der USA soll der Vertreter des Irans, Vizewirtschaftsminister Navab-Motlagh, einem Professor aus Shanghai weichen. Das Interesse für die Arbeitsplätze dürfte damit schwinden

Auf den ganz besonders klugen Seiten der Frankfurter Allgemeinen wird sonst eher zwischen den Zeilen gerichtet – am Donnerstag aber griff das Blatt zur geharnischten Kritik. Der ThyssenKrupp-Konzern verhalte sich „beschämend“. Der Hintergrund: Der 1999 aus einer Elefantenhochzeit hervorgegangene Industrieriese hat den iranischen Vizewirtschaftsminister Mohamad-Mehdi Navab-Motlagh nicht mehr auf die Vorschlagsliste für den am 21. Januar neu zu wählenden Aufsichtsrat gesetzt. Wie es heißt, reagiert ThyssenKrupp damit auf den Druck der USA – dort kommen Firmen, die engere Geschäftsbeziehungen zu „Schurkenstaaten“ unterhalten, auf eine schwarze Liste.

Um dem US-Geschäft nicht zu schaden, hatte ThyssenKrupp dem Iran bereits im Sommer 3,29 Prozent der Konzernanteile abgekauft, der damit nur noch 4,5 Prozent an ThyssenKrupp hält. Mit dem Ausscheiden Navabs aus dem Aufsichtsgremium ist das enge Verhältnis zwischen Iran und Krupp zu Ende. Selten gefühlig spricht die FAZ-Wirtschaftsseite von Undank: „Ohne die finanzielle Unterstützung aus Persien gäbe es diesen Konzern wahrscheinlich gar nicht mehr.“

1974 hatte der heutige Präsident der Krupp-Stiftung, Berthold Beitz, den Deal eingefädelt. Um Krupp Stahl wieder liquide zu machen, buhlte Beitz um den persischen Schah, besuchte den Autokraten in seinem Sommerhaus. Ergebnis: Reza Pahlewis Regime pumpte etwa eine Milliarde Mark in den Stahlriesen – dafür hielt Persien ein Viertel der Anteile. Auch nach der „islamischen Revolution“ von 1979 verblieben die beim jungen „Gottesstaat“. Seit Anfang der 80er Jahre sitzt der heute 57-jährige Navab-Motlagh im Aufsichtsrat von Krupp.

Navab-Motlagh studierte Ingenieurwissenschaften in Stuttgart, war danach kurze Zeit Botschafter in Bonn. Auch seine Tochter hat sich dem deutsch-iranischen Verhältnis verschrieben. Sie absolvierte in Bamberg ein Germanistik-Studium, wurde mit einer DAAD-Auszeichnung geehrt.

Zumeist waren Iraner stille Teilhaber bei Krupp. Doch während der Stahlkrise Ende der 1980er Jahre, als Verkaufsabsichten oder die (1999 vollzogene) Fusion mit Thyssen die Runde machten, mischte sich auch Navab ein. So gehört dem Iraner eine Episode im Arbeitskampf um die Hütte in Rheinhausen. 800 muslimische Stahlkocher forderten Ende 1988 in einem Brief an den Glaubensbruder „im Namen Allahs“, sich gegen die Schließung des Stahlwerks auszusprechen, – eine solche „gute Tat wird eines Tages nicht ohne Antwort bleiben“. In einem Treffen mit den Arbeitnehmern sicherte Navab zu, dass humanitäre und soziale Aspekte eine wesentliche Rolle spielen sollten.

Der designierte neue internationale Vertreter im ThyssenKrupp-Aufsichtsrat wird der soziale Frieden weniger wichtig sein. Vorgeschlagen wurde ein Professor aus Schanghai. Mit Wan Gong, Wissenschaftler der Tongji-Universität, wird der Fokus auf Fernostgeschäfte gelegt wie die zweite Transrapid-Strecke zwischen Schanghai und Hangzhou. ThyssenKrupp und Konzernchef Ulrich Middelmann sind eng mit der Tongji-Universität verbandelt: Middelmann ist dort Ehrendoktor, der Konzern sponsert Lehrstühle.

Die iranische Botschaft wollte sich zunächst nicht zum Aus ihres Vertreters im Aufsichtsrat äußern. Vielleicht werde es heute eine Stellungnahme geben, hieß es. Möglich, dass dann ein Zitat von Navab erneut Verwendung findet: In der Krupp-Krise kritisierte der Vizeminister das Milliarden-Investment, das seinem Staat in acht Jahren kaum 40 Millionen Mark gebracht habe, mit klaren Worten: „Krupp ist ein mieser Laden.“

CHRISTOPH SCHURIAN