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Archiv-Artikel

Ein Ohr für Haltungen

Mit BuschFunk hat Klaus Koch vor 15 Jahren das erste unabhängige Label in Ostdeutschland gegründet. Heute vertreibt er Künstler wie Gerhard Gundermann oder Silly, aber auch die Hits von Wladimir Kaminers Russendisko

Im Büro von Klaus Koch hängen keine Goldenen Schallplatten an der Wand, sondern dreckige Schuhputzlappen. Sauber eingerahmt und mit einem kleinen Anschreiben versehen. Sie stammen von Angela Merkel, Carmen Nebel, Joachim Gauck, Regina Hildebrandt. Es sind Geschenke für den Liedermacher Gerhard Schöne, der 1992 um die Lappen bat, damit er seinen Konzertbesuchern die Schuhe putzen konnte. Außer Reinhard Mey hat kein Westpromi etwas geschickt. „Die dachten wohl an was Unanständiges oder dass da nur jemand Geld mit verdienen wollte. Sie kannten Schöne eben nicht“, sagt Koch.

Bei seinem Label BuschFunk ist Gerhard Schöne, der von seinen Fans über die DDR hinaus für seine klugen Kinder- und Erwachsenenlieder verehrt wird, einer der erfolgreichsten Künstler. Ein Star, könnte man sagen, was der Mann mit dem grauen Rauschebart allerdings nie tun würde. Zu sehr klingt in diesem Wort all das mit, was Koch an seiner Branche zuwider ist. Stückzahlengläubigkeit und Charts liegen dem aus Wittenberg stammenden 51-Jährigen nicht. „Ich bin Kunstinteressierter und erst danach Unternehmer.“ Nur was ihn auch persönlich interessiert, hat die Chance, in sein Verlagsprogramm aufgenommen zu werden. Alles andere findet sich: „Bei manchen Platten wussten wir von vornherein, da kommst du nicht mal auf null. Gemacht haben wir sie trotzdem.“ Das Geschäftsprinzip hat nicht nur einige Preise der Deutschen Schallplattenkritik eingebracht, sondern funktioniert so, dass immerhin fünf fest Angestellte davon leben können.

Daran war nicht unbedingt zu denken, als der studierte Kulturwissenschaftler mit einem Freund am 13. Dezember 1989 in Prenzlauer Berg ein „Büro für zeitgenössische Kunst“ eröffnete. Der Name BuschFunk passte zum Programm: Hier sollten nur Künstler vertreten werden, deren Qualität sich herumgesprochen hat und die nicht mittels Hype an den Kunden gebracht werden müssen. Das erste Konzert organisierten die BuschFunker Ende Dezember 1989 in Leipzig mit dem Duo Pannach & Kunert, zwei Exmitgliedern der Rocklegende Renft, die nach dem Bandverbot in der DDR in den Westen gegangen waren.

1991 schien das Abenteuer Kunst in der Marktwirtschaft schon wieder beendet, nachdem Kochs Kompagnon wegen „fehlender Gewinnaussichten“ das Handtuch warf. Koch machte allein weiter und BuschFunk zum bis heute größten unabhängigen ostdeutschen Musikverlag und Label mit eigenem Vertrieb. Dazu gehört auch ein Mailorderversand, der mittlerweile zu fast einem Drittel Kunden in den alten Bundesländern bedient: mit Büchern, Filmen, vor allem aber „poetischer, engagierter deutschsprachiger“ Musik von mainstreamfernen Musikern wie Bettina Wegner, Engerling oder Gerhard Gundermann.

Rund 150 Produktionen wurden auf dem Label in 15 Jahren veröffentlicht. Es hätten tausend sein können, sagt Klaus Koch, wenn er die einst staatliche DDR-Plattenfirma Amiga 1993 hätte kaufen können. Doch er schaffte es lediglich, einige Lizenzen zu erwerben. Das große Rock-und-Pop-Archiv sicherte sich die Münchner BMG, was ihn immer noch grämt. „Wir hätten 10 bis 15 Arbeitsplätze geschaffen“, sagt er mit Blick auf die kürzlich erfolgte Entlassung aller Amiga-Mitarbeiter. „Und den Backkatalog hätten wir mit Respekt behandelt, statt das ostdeutsche Musikgut als simple Ostalgiebegleitung zu verwerten und den Gewinn in Produktionen mit Containerstars zu stecken.“

Gleichwohl profitierte auch BuschFunk vom DDR-Kult. Die 400.000 verkauften Exemplare einer Gesellschaftsspiel-Trilogie (u. a. „Überholen ohne einzuholen“) haben einigen Anteil am wirtschaftlichen Überleben des Unternehmens. Koch wird allerdings ungehalten, wenn man ihn in die Nähe eines Ostalgikers rückt. Sein Blick zurück richtet sich auf Künstler mit Anspruch und Haltung, weshalb er seit etlichen Jahren auch das musikalische Erbe von Rio Reiser betreut; und mit einigem Stolz vertreibt er neuerdings auch die Platten der David-Volksmund-Produktion, des legendären Labels von Ton Steine Scherben. Weil ihn interessiert, „was im Westen an Kulturgeschichte da ist“, würde er gern mit Konstantin Wecker oder Stoppok (von dem er immerhin ein Songbuch veröffentlichte) kooperieren. „Die würden zu uns passen“, so wie die Sachen von Wladimir Kaminers Russendisko Records, deren Hits made in Russia BuschFunk aktuell im Programm hat.

Wenn man die aktuelle Broschüre liest, könnte man sich allerdings fragen, wie lange noch. Dort sind die Aussichten auf ein zukünftiges Jubiläum arg zweiflerisch beschrieben. „Wir befinden uns nicht auf dem absteigenden Ast“, stellt der oberste BuschFunker jedoch klar, „es ist nur eine realistische Sicht. Wir sind nun mal ein Generationen-Label für Leute zwischen 40 und 50.“ Ans Aufhören denkt Klaus Koch deshalb noch lange nicht, schon aus Verantwortung für seine Künstler, mit denen er zumeist privat befreundet ist. Deshalb sind sie auch alle – von Gisela May über Silly und Uschi Brüning bis zu Stoppok – der Einladung gefolgt, um 15 Jahre BuschFunk mit einem großen Konzert zu feiern. GUNNAR LEUE

Das Konzert findet heute Abend um 19.30 Uhr im Theater des Westens statt