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Archiv-Artikel

Der Imam mit der feinen Nase

Seit Yakup Tasci über den deutschen Geruch herzog, prüft die Innenverwaltung seine Ausweisung. Dabei war der Prediger schon zuvor aufgefallen. Seit Mitte der Siebziger ist er aktiv bei Milli Görüs

VON PHILIPP GESSLER

Wie war das nach dem 11. September 2001? Yakup Tasci, damals nach eigenen Angaben Imam der Mevlana-Moschee am Kottbusser Tor, verteilte jedenfalls keine Bonbons an Gläubige, nachdem der Anschlag, dem Tausende Menschen zum Opfer fielen, bekannt wurde. Dies stellte Tasci in einer Gegendarstellung in der taz klar. In seiner Predigt beim Freitagsgebet nach dem 11. September erklärte Tasci stattdessen: „Terror ist die größte Schandtat der Menschheit, gleichgültig, welche Absichten dahinterstehen“, wie die FAZ mitschrieb. Der Islam verabscheue Blutvergießen, betonte der Imam vor den Gläubigen und Journalisten, die ihn damals hörten. Er zitierte eine Stelle aus dem Koran, Sure 5, Vers 32: „Wenn einer jemanden tötet, jedoch nicht wegen eines Mordes oder weil er auf der Erde Unheil stiftet, so ist es, als hätte er die Menschen alle getötet.“

So redet Tasci, wenn er weiß, dass Medienvertreter anwesend sind. Einen anderen Tasci lernten die Reporter des ZDF-Magazins „Frontal 21“ kennen. Ihrem Bericht zufolge, heimlich aufgenommen, dröhnte der 58-Jährige bei einer Predigt – und in der Berliner Boulevard-Presse fanden sich fleißige Journalisten, die liebevoll mitschrieben: „Diese Deutschen, diese Atheisten, diese Europäer rasieren sich nicht unter den Armen, ihr Schweiß sammelt sich unter ihren Haaren zu einem üblen Geruch, und sie stinken …“ Den Deutschen sei das „Höllenfeuer“ sicher, ganz abgesehen davon, dass sie sowieso „ohne Nutzen“ seien.

Noch vor Weihnachten, so teilt die Innenverwaltung nun mit, will sie prüfen, ob Tasci einen Ausweisungsbescheid erhält. Einen Brief mit einer entsprechenden Androhung hat Tasci Ende November bekommen. Nach Informationen der taz war Tasci einer Aufforderung zu einem Gespräch mit der Ausländerbehörde nicht gefolgt. Stattdessen antwortete sein Anwalt auf das Schreiben der Behörde – und diese Antwort wird derzeit in der Innenverwaltung geprüft.

Als türkischer Staatsbürger mit einer „Aufenthaltsberechtigung“ verfügt er über ein ziemlich starkes Aufenthaltsrecht. Gegen einen Ausweisungsbescheid könnte er über mehrere Instanzen klagen. Dann wäre er frühestens im Februar weg.

Der Vorwurf der Behörden gegen Tasci: Der geruchsempfindliche Prediger habe mit seinen Äußerungen über nutzlose und stinkende Deutsche den inneren Frieden gestört. Schwerer und vielleicht auch strafrechtlich relevant sind andere Äußerungen des Geistlichen, die er nach einer Mitschrift der Innenverwaltung bei einer Rede während einer Demonstration im Juni auf dem Oranienplatz in Kreuzberg gemacht hat: Dort billigte er die Selbstmordattentate in Israel, wie die Innenverwaltung erklärt. Presseberichten zufolge soll er die Attentäter als „Märtyrer“ glorifiziert haben. Das wäre Volksverhetzung.

Tasci hat sich für seine Aussagen in der Moschee über die übel riechenden Deutschen in einem offenen Brief entschuldigt. Sie seien „verletzend und falsch“ gewesen und verstießen „gegen die fundamentalen Spielregeln unseres gesellschaftlichen Miteinanders“. Tasci wurde als (Hilfs-) Prediger der Moschee suspendiert. Etwas später bestritt er jedoch, überhaupt gegen Deutsche gehetzt zu haben – offenbar ist es nach seinem Verständnis nicht negativ, wenn jemand stinkt, nutzlos ist und in der Hölle schmoren wird.

Die Frage drängt sich auf: Wann meint Tasci, was er sagt? Und wer ist dieser Familienvater mit der ganz feinen Nase?

Das zu recherchieren ist etwas schwierig, denn Tasci gibt seit Ausstrahlung seiner Predigt vor ein paar Wochen keine Interviews mehr. Der eher zierliche Mann ist weltlich gekleidet, hat seinen Bart gestutzt und spricht nur gebrochen Deutsch – obwohl er seit etwa 30 Jahren in Deutschland lebt. Es gilt als gesichert, dass er in Anatolien aufgewachsen ist, ehe er in Damaskus und Jerusalem, an der Al-Aksa-Moschee gar, ausgebildet wurde.

Nach Informationen der Berliner Islamismus-Expertin Claudia Dantschke war Tasci nach Gründung von Milli Görüs Berlin 1976 Vorstandsmitglied dieses Vereins, und zwar zuständig für Jugend und Sport. Von Januar 1980 bis 1986 war der Geistliche im Gründungsvorstand der Islamischen Föderation, der die Mevlana-Moschee angehört. Zur Föderation, die als Tarnorganisation des vom Verfassungsschutz beobachteten Verbands Milli Görüs gilt, zählen weitere Moscheen in Berlin. Sie gibt zudem nach eigenen Angaben an über drei Dutzend Berliner Schulen rund 4.300 Mädchen und Jungen islamischen Religionsunterricht.

Gegenüber der Presse erklärte Tasci früher, Milli Görüs sei „ein Wohltätigkeitsverein“ – was er außerdem über diese Organisation denke, wolle er lieber für sich behalten. Das ist erstaunlich, weil er offizieller „Hadsch-Beauftrager“ von Milli Görüs Berlin ist, wie Dantschke recherchiert hat, das heißt, er organisiert Pilgerreisen nach Mekka.

Tasci tut sich schwer mit der modernen Welt: Einer Reporterin erzählte er einmal, für ihn sei das Trinken von Alkohol verboten. Frauen seien verpflichtet, ein Kopftuch zu tragen, „aber meine Frau darf es selbst aussuchen – wie ihre Kleidung überhaupt“. Besonders erwähnenswert fand er die Tatsache, dass bei der Hochzeit seines Sohnes Frauen und Männer gemischt an der Festtafel saßen. „Da sehen Sie, ich erlaube viel“, diktierte er der Reporterin in den Block. Beim Tanzen jedoch gebe es Grenzen: Selbst der Schwager einer Frau dürfe nicht mit ihr aufs Parkett – von anderen Männern ganz zu schweigen.

In Berlin gibt es über 70 Moscheen. In der Mevlana-Moschee soll Tasci bereits vor etwa 1.000 Gläubigen gepredigt haben. Der Verfassungsschutz geht von etwa 3.700 Islamisten in der Stadt aus. Nach Spiegel-Informationen betete in der Mevlana-Moschee Mohammed Bensakhria. Der Algerier steht in Frankreich vor Gericht, weil er an dem verhinderten Anschlag auf den Straßburger Weihnachtsmarkt beteiligt gewesen sein soll. Zudem gehe der Staatsschutz davon aus, dass die Mevlana-Moschee diesem mutmaßlichen Terroristen und seinem Umfeld als „sicherer Treffpunkt“ gedient habe. Aber wahrscheinlich hat Tasci davon ja gar nichts mitbekommen. So vertieft wie er war in die Analyse der deutschen Gerüche.