Ohne Spinner geht es nicht

Von der Würde der Schaben und dem Nutzen der Spinnen – Stephan Loksa züchtet Taranteln und will die Menschheit von Achtbeinigen überzeugen: Ohne Spinnen wäre das Erdreich von Insekten bedeckt

AUS DÜSSELDORFLUTZ DEBUS

“Ich bin hier der Oberspinner“, sagt Stephan Loksa zur Begrüßung im Aquazoo Düsseldorf. Der Fünfzigjährige ist Arachnologe, Spinnenforscher und Spinnenzüchter. Für die Pharmaindustrie züchtet er Gartenkreuzspinnen, Taranteln, Schwarze Witwen und Vogelspinnen. Verwendung finden die in der Homöopathie. Stark verdünnt sollen sie gegen manche ernste Krankheit helfen. Für 300 Gramm Medikamentenrohstoff muss Loksa etwa 2.000 Tiere züchten.

Als Vortragsreisender besucht der gebürtige Ungar Kindergärten und Schulen und hält an der Uni Köln einen Lehrauftrag. Kindern möchte er vermitteln, dass Spinnen keine bösen Tiere sind, die man töten muss. Dazu lässt er die Kleinen eine ausgewachsene Vogelspinne streicheln. Das Spinnenfell ist weich wie das einer Katze. Später können die jungen Seminarteilnehmer bei ihren Eltern damit prahlen, das sie eine lebende Vogelspinne berührt haben.

Aber woher rührt eigentlich die Spinnenangst? Bedrohlich sind die Vielbeiner nicht: Von den 35.000 klassifizierten Spinnenarten sind nur etwa zwei Dutzend für den Menschen gefährlich. Loksa erklärt sich die schwierige Beziehung zwischen Mensch und Spinne anders. Der Mensch sei entwicklungsgeschichtlich eigentlich ein Vierbeiner. Insekten hätten mit ihren sechs schon zwei Beine zu viel, sie sind gerade noch akzeptabel. Aber acht Beine sind ungeheuerlich: „Wenn eine Spinne auf dem Boden läuft, können Sie die Schrittfolge nicht nachvollziehen. Die ist mit unserem Ordnungssinn nicht erklärbar.“ Und das Unerklärbare, das Fremde mache sich der Mensch schnell zum Feind.

Loksa hat deshalb ein spezielles Programm für Menschen mit Spinnenangst entwickelt. Mit umfangreichem Gepäck macht er Hausbesuche, versucht bei den Betroffenen Sympathie für Spinnen zu wecken. Erst zeigt er ästhetische Naturaufnahmen, verteilt in Kunstharz gegossene Präparate, dann können leblose Spinnenhäute berührt werden. Später packt er die Springspinne aus – ein typischer Bewohner heimischer Keller, Garagen, Dachböden. Zum Abschluss darf mit einer ausgewachsenen Vogelspinne gespielt werden. Mit seiner Strategie der Desensibilisierung habe er Erfolg, sagt Loksa – doch für Menschen mit einer ausgeprägten Spinnenphobie sei sein Programm natürlich nichts.

Bei einem Vortrag an der Uni habe er einmal eine tote Vogelspinne auf den Overheadprojektor gelegt. Eine Studentin in der letzten Reihe wurde daraufhin schneeweiß im Gesicht, Sekunden später knallrot, sie riss den Mund auf zu einem lautlosen Schrei. Draußen hyperventilierte sie, konnte sich erst nach über einer halben Stunde beruhigen. Für den Spinnenforscher Loksa ein Fall für den Psychologen, nicht den Biologen.

Wie ihm Mensch und Getier im australischen Dschungelcamp von RTL gefallen? Die Würde der Menschen sei ihm egal gewesen. Schließlich machen die Teilnehmenden alles freiwillig. Aber die Würde der Tiere, so Loksa, werde dadurch ganz erheblich beschädigt. „Schaben leben seit 350 Millionen Jahren auf der Erde. Die Menschen haben vor 100.000 Jahren noch auf Bäumen gehockt. Mit welchem Recht trampeln Menschen nur wegen einer Einschaltquote auf Schaben herum?“

Um die Bedeutung von Spinnen zu erklären, berichtet Loksa von einer Studie aus den USA. Was würde passieren, wenn es keine einzige Spinne mehr auf der Welt gäbe? Computer haben das simuliert: Binnen sechs Monate wären alle Kontinente mit einer 25 Zentimeter dicken Schicht toter Insekten bedeckt. Pflanzen, Tiere und Menschen würden verschwinden. Loksa bringt es auf einen einfachen Nenner: „Ohne die Natur können wir Menschen nicht sein. Die Natur aber kommt auch sehr gut ohne uns Menschen aus.“

„Besucher fragen - Biologen antworten: Ekeltiere, Schaben und Spinnen“, Samstag, 18. Dezember, 15.00 Uhr bis 17.30 Uhr mit Stephan Loksa, Aquazoo-Löbbecke, Museum Düsseldorf