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Archiv-Artikel

Senat hat nicht mehr alle Tassen im Schrank

Weg frei für Verkauf der defizitären Königlichen Porzellan-Manufaktur KPM. Investor ist ein Hohenzollern-Prinz

Ausgerechnet unter einem PDS-Wirtschaftssenator geht die Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM) aus Volksbesitz in Adelshand, noch dazu an einen Hohenzollern-Prinzen. Die „Prinz von Preußen AG“, extra zum Kauf des landeseigenen und zwischenzeitlich vom Konkurs bedrohten Unternehmens gegründet, will den seit 1751 existierenden ältesten Berliner Gewerbebetrieb übernehmen. Den hatte Friedrich der Große 1763 zum königlichen Unternehmen gemacht. Der Senat gab gestern grünes Licht für den Verkauf.Weil die KPM dem Land über die Investitionsbank Berlin (IBB) gehört, muss noch deren Verwaltungsrat zustimmen. Das soll vor Weihnachten passieren. Chef des Gremiums ist Senator Harald Wolf.

Der Unternehmensname KPM steht zuerst einmal für viel Geld für wenig Geschirr. Im Geschäft Unter den Linden Ecke Friedrichstraße stand gestern eine Schale für 572 Euro im Schaufenster, ein schlichter Kerzenhalter für 95 Euro war geradezu ein Schnäppchen. Die Zukunft dieses exklusiven und traditionsreichen Unternehmens war über Jahre ungesichert. Nach Senatsangaben gab es in dem jetzt fast abgeschlossenen Verkaufsverfahren fünf Interessenten. Drei davon hätten schließlich ein verbindliches Kaufangebot abgegeben.

Für die Aktiengesellschaft des Prinzen Franz Wilhelm von Preußen, ein Urenkel des letzten deutschen Kaisers, sprachen laut Wirtschaftsstaatssekretär Volkmar Strauch (SPD) der Kaufpreis, der Erhalt des Produktionsstandorts in Berlin und die Sicherung von 170 der 175 Arbeitsplätze.

Laut Strauch übernimmt die Prinz-Aktiengesellschaft den größten Teil der Altlasten und die Pensionslasten des Unternehmens. Bei den Pensionsverpflichtungen sah er die einzige verbleibende Unwägbarkeit. Den genauen Kaufpreis mochte er nicht nennen. Laut Strauch ging der Senat noch vor einem Jahr von einem deutlich schlechteren Geschäft aus. Die Grünen-Fraktion reagierte zurückhaltend auf den Verkaufsbeschluss des Senats. Ihr finanzpolitischer Sprecher Jochen Esser machte gestern ihre Zustimmung von zufrieden stellenden Antworten auf Fragen zu Darlehen und Unternehmenskonzept abhängig.

Zum Konzept des Käufers soll es gehören, Marketing und Vertrieb deutlich zu verbessern. Zu viel konzentriere sich auf die betriebseigenen fünf Galerien. Die Konkurrenz aus Meißen, die dortige Staatliche Porzellan-Manufaktur, mache 40 Prozent ihres Umsatzes im Ausland, KPM hingegen nur 8 Prozent, sagte Strauch.

Teil des Konzepts sind offenbar auch Veränderungen am Produktions- und Verwaltungssitz am S-Bahnhof Tiergarten. Strauch schloss gestern nicht aus, dass der zukünftige Eigentümer den Standort touristisch ausbauen wird, möglicherweise mit einem Hotel, um die zahlungskräftigen Kunden gleich neben dem Edelporzellan einzuquartieren. Der Staatssekretär war sich zudem sicher, dass der Prinz seinen Namen für das KPM-Marketing einsetzen wird.

Für Wirtschaftssenator Wolf erfüllt sich mit dem Verkauf eine lange Forderung. Denn sein einschlägiges Zitat in Privatisierungsdebatten lautete: Es sei nicht Aufgabe des Staates, Teller und Tassen herzustellen.

STEFAN ALBERTI