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Archiv-Artikel

Leber und Nieren für Arabien

Projekt-Ruhr-Geschäftsführer Ingo Schwarz hört auf und hat eine letzte Vision: Ein Edel-Krankenhaus für reiche Scheichs im Revier. Doch die Justiz ermittelt in Essen wegen illegalen Organhandels

VON MARTIN TEIGELER

Pläne der landeseigenen Projekt Ruhr GmbH für den Ausbau des Essener Transplantationszentrums könnten an der Justiz scheitern. Die Staatsanwaltschaft Essen ermittelt wegen des Verdachts des illegalen Organhandels im Umfeld der Klinik. „Anfang 2004 wird klar sein, ob wir Anklage erheben“, sagt Willi Kassenböhmer, Sprecher der Staatsanwaltschaft. Auch der Essener Chef-Chirurg Christoph Broelsch soll angeblich ethisch und rechtlich angreifbare Operationen durchgeführt haben (siehe Kasten). Projekt Ruhr-Geschäftsführer Ingo Schwarz möchte das Essener Transplantations-Zentrum (TPZ), an dem Broelsch arbeitet, ausbauen. „Mit Investitionen von rund 15 Millionen Euro könnte das TPZ zu den renommierten Zentren in Chicago, London und Paris aufschließen“, hatte Schwarz unlängst angekündigt.

Schwarz, der nach internen Querelen zum Jahresende als Projekt-Ruhr-Geschäftsführer aufhören wird, regte an, die Kapazität von rund 240 Transplantationen pro Jahr in Essen und Bochum um ein Drittel zu steigern. „Dann bekommen wir hier auch zahlungskräftige internationale Kundschaft ins Revier“, so Schwarz. Der Ausbau des TPZ soll je zu Hälfte aus Forschungs- und Sponsorenmitteln finanziert werden. Schon allein die Kundschaft aus den arabischen Staaten und Asien brächte eine Menge Geld mit, so Schwarz. Gerade arabische Scheichs könnten nach dem 11. September 2001 nicht mehr problemlos in die USA reisen, um sich operieren zu lassen. Bei dieser Klientel gehe es in erster Linie um Lebendspenden von Verwandten. Auf genau diesem Gebiet ist der Essener Professor Broelsch tätig. Der 59-jährige Chirurgie-Chef des Essener Universitätsklinikums ist Experte für die sogenannte Lebendorganspende, bei der Kranke von lebenden Spendern eine neue Leber oder Niere bekommen.

Die großspurigen Pläne von Projekt-Ruhr-Geschäftsführer Schwarz dürften Broelsch gefallen, denn er gilt als Befürworter einer Legalisierung des kommerziellen Organhandels. Der umtriebige Mediziner hat bislang ein Problem. Es gibt nicht genug Spender. Zudem setzt das Transplantationsgesetz bei Organspenden enge Grenzen. Damit soll nach dem Willen des Transplanteurs bald Schluss sein. Broelsch ist dafür, dass Menschen ihre Organe verkaufen dürfen. „Der Spender kann sich doch von dem Geld ein Fahrrad kaufen oder ein Geschäft gründen“, sagt Broelsch. Organe im freien Verkauf? Leber und Niere gegen Cash? Die deutschen Berufskollegen reagieren seit Jahren negativ auf die Vorschläge des Essener Professors. Das Fachblatt „Ärztezeitung“ warf Broelsch vor, er wolle „transplantieren um jeden Preis“. Auch Peter Orthen-Rahner, Sprecher der Ärztevereinigung Hartmannbund, lehnte die Forderung nach einem kommerziellen Organhandel ab. „Eine solche Idee ist unethisch und unärztlich“, sagt Orthen-Rahner. Derartige Vorschläge diskreditierten den Kampf um mehr Organspender.

Der Verkauf von Organen ist laut Transplantationsgesetz streng verboten. Seit Anfang 2002 sieht sich der „Chirurg von Weltruf“ (WAZ), unangenehmen Vorwürfen ausgesetzt. Mitte Februar letzten Jahres gingen bei der Leitung des Klinikums sowie bei der Staatsanwaltschaft anonyme Briefe ein, in denen von Verstößen gegen das Transplantationsgesetz in Essen die Rede ist. Seitdem ermittelt die Justiz. Bei einer Verurteilung wegen illegalen Organhandels drohen Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren. „Es geht um insgesamt vier Fälle von Lebendorganspenden“, bestätigt Staatsanwalt Willi Kassenböhmer. Gegen welche Personen ermittelt wird, bleibt offen. Sollte es im kommenden Jahr zu einem Prozess gegen Verantwortliche in Essen kommen, hat wohl auch Projekt-Ruhr-Geschäftsführer Ingo Schwarz keine Chancen mit seinen kühnen Visionen für ein Organ-Einkaufszentrum für wohlhabende Araber. „Ich halte Herrn Professor Broelsch für einen sehr honorigen Mann“, wehrt Schwarz ab. Zudem sei er kein Medizinethiker, so Schwarz. Der umstrittene Arzt reagiert ähnlich angenervt. Zu einer Anklage gegen ihn werde es nicht kommen, sagt Broelsch selbstbewusst: „Wenn Sie darüber berichten, gibt es Ärger.“ Die Stadt Essen hat Geschäftsführer Schwarz gar nicht erst in seine großen Pläne eingeweiht. Ein Sprecher kann zum Ausbau des Transplantationszentrums nichts sagen: „Wir haben mit diesem Vorhaben nichts zu tun.“