Hochgeschrieben

Der Fall „Killer-Lilly“: ein Beispiel von extremer Jugendgewalt oder von der Presse dazu gemacht?

Hamburg taz ■ Enormes Aufsehen erregte 2003 der Fall Ljiljana M. Die 16-jährige, der Polizei bekannte Schülerin geriet im September mit einer Gleichaltrigen aneinander und verletzte sie erheblich. Das veranlasste neben Sozialbehörde und Justizapparat auch die Springer-Presse zu erhöhter Aktivität. Über den konkreten Fall hinaus sollte offensichtlich die vermeintlich lasche Rechtsprechung der hamburgischen Jugend- und Familiengerichte in Misskredit gebracht werden.

Die aktenkundige Schulschwänzerin M., der wiederholt Diebstahl, Überfälle und Raufereien zur Last gelegt worden waren, erhielt von auflagenstarker Seite gleichwohl das Label „Killer-Lilly“ angeheftet. Zudem wurde sie zur Anführerin einer daheim, im Hochhausviertel Hamburg-Schnelsen, gefürchteten „Mädchengang“ ernannt. Diese allerdings, so empörten sich vor Ort befragte SozialarbeiterInnen, gab und gibt es bis heute gar nicht.

Angesichts des gesteigerten öffentlichen Interesses entschloss sich das Jugendgericht, entgegen üblicher Regelungen, das Urteil gegen Ljiljana M. öffentlich zu machen. Sie wurde wegen Körperverletzung und Raubes schuldig gesprochen und erhielt eine Bewährungsstrafe sowie die Auflage, außerhalb Hamburgs ein sechsmonatiges Anti-Aggressions-Training zu durchlaufen. Das entsprach im Prinzip den Forderungen der Staatsanwaltschaft – trotzdem legte diese Rechtsmittel ein gegen das selbst erstrittene Urteil. Grund: Nach der Verkündung hatte M. auf dem Gerichtsflur tanzend ihre Freude zum Ausdruck gebracht. aldi