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Archiv-Artikel

Analysiere dein Scheitern

Justizministerin Zypries vergibt Förderpreis für Kriminalprävention. Gewinnen können auch fehlgeschlagene Projekte

BERLIN taz ■ Straftaten, die man vermeidet, fordern keine Opfer und müssen auch nicht aufgeklärt werden. Das ist die Grundidee der Kriminalprävention, die seit Mitte der Neunzigerjahre in Deutschland populär geworden ist. Rund 2.000 kriminalpräventive Räte und eine Vielzahl sonstiger Projekte gibt es inzwischen in Städten und Gemeinden. Wie effizient diese arbeiten, ist bislang allerdings unbekannt. Damit das anders wird, hat Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) jetzt einen Preis ausgeschrieben.

Manche kriminalpräventive Projekte richten sich an potenzielle Täter, andere wollen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessern. So werden an Kindergärten und Schulen Kurse für tolerantes Verhalten angeboten. Junge Spätaussiedler werden mit Sportangeboten von der Straße geholt und Graffiti-Sprayer können sich an legalen Wänden verwirklichen. Meist sind die kriminalpräventiven Räte, die solche Projekte koordinieren, ein informelles Bündnis von Polizei, Behörden, Vereinen und Wirtschaft. Dagegen sind Jugendliche, Ausländer und andere vermeintliche Problemgruppen regelmäßig nicht beteiligt. Dennoch kann Kriminalprävention mit einem Sympathiebonus rechnen: Dem Motto „Vorbeugen ist besser als heilen“ kann fast jeder zustimmen. Wie effizient die Aktionen tatsächlich sind, wird allerdings kaum analysiert. Auch das vor zwei Jahren von Bund und Ländern gegründete Deutsche Forum für Kriminalprävention widmet sich weniger der Kontrolle als dem Austausch von Ideen.

Ein jährlicher Förderpreis Kriminalprävention soll nun offen legen, welche Maßnahmen tatsächlich Gewalt verhindern können. Preiswürdig sind nur Projekte, die über einen schlüssigen methodischen Ansatz verfügen. Dotiert ist der jährliche Preis mit 50.000 Euro. Vergeben wird er unter Schirmherrschaft von Justizministerin Zypries von der privaten Stiftung Kriminalprävention (SK) aus Münster. „Wir wollen verhindern, dass Geld für Projekte ausgegeben wird, die nur gut klingen, aber nichts bewirken“, so SK-Vorstand Klaus Stüllenberg. Um den Förderpreis können sich auch gescheiterte Projekte bewerben. „Wir prämieren nicht den Erfolg, sondern die Systematik“, betont Stüllenberg. Bewerbungen können bis 31. März 2004 eingereicht werden. (www.stiftung-kriminalpraevention.de)

Möglicherweise bestätigt der Wettbewerb, was Wissenschaftler schon länger vermuten: Weitgehend nutzlose Projekte sind in der Kriminalprävention eher die Regel. Norbert Pütter, Politikwissenschaftler an der FU Berlin, bemängelt, dass gerade die Orientierung am „Sicherheitsempfinden“ der Bevölkerung zum ineffizienten Einsatz von öffentlichen Geldern führt. In einem kriminalpräventiven Rat würden die Interessen bedient, die sich dort am stärksten engagieren –etwa der örtliche Handel, der sich ein Einkaufszentrum ohne Betrunkene wünscht. Kriminalprävention sei dabei lediglich ein Akzeptanz förderndes Etikett. CHRISTIAN RATH