: Der Erfinder des „Da Zuma Code“
MEINUNGSFREIHEIT Die Nation spottet, der ANC ist wütend und der neue Präsident klagt. Zapiro ist Südafrikas Karikaturist der Stunde
■ Amtseinführung: Südafrikas neu gewählter Präsident Jacob Zuma wird am heutigen Samstag feierlich vor tausenden Zuschauern in Südafrikas Hauptstadt Pretoria in sein Amt eingeführt. Zuma ist Vorsitzender des ANC (Afrikanischer Nationalkongress), der Südafrikas Parlamentswahl am 22. April mit knapp 66 Prozent gewonnen hatte. Das Parlament wählte Zuma am Mittwoch zum Staatschef. Die größte Oppositionspartei, DA (Demokratische Allianz), boykottierte die Abstimmung.
■ First Lady, Second Lady …: Alle drei Ehefrauen Zumas kommen zur Inauguration, heißt es offiziell: Sizakele Khumalo (seit 1973), Nompumelelo Ntuli Zuma (seit 2008) und Thobeka Mabhija (seit 2009). Eine weitere Ehefrau beging 2000 Selbstmord, die geschiedene Nkosazana Dlamini-Zuma ist Südafrikas Außenministerin.
■ Staatsgäste: 29 Staatschefs werden als Ehrengäste erwartet. Plakate in Pretoria, die die Ausladung des Simbabwers Robert Mugabe forderten, wurden von der Polizei abgehängt, die Verantwortlichen bekamen Geldstrafen.
■ Korruption: Der Pferderennenveranstalter Roy Moodley, ein Freund Zumas, wurde verhaftet. Er wollte für neun Euro Schmiergeld einen guten Sitzplatz bei den Feiern ergattern. Stattdessen musste er 200 Euro Kaution bezahlen, um wieder freizukommen. D.J.
AUS KAPSTADT MARTINA SCHWIKOWSKI
Zapiro hält empört die südafrikanische Ausgabe der Times hoch: „Überall klauen sie meine Cartoons!“ Den Übeltäter will er anrufen. „Viel mehr kann ich nicht tun. Aber ich werde ihm ein paar Takte erzählen.“ Es geht um Ethik. Zapiro grinst, das charmante Lächeln erfüllt den Raum, sein Atelier in einem gediegenen Kapstädter Wohnviertel, am Hang des Tafelberges. Zeitungen stapeln sich unter den Zeichentischen, Urkunden an den Wänden bestätigen die künstlerischen Fähigkeiten von Jonathan Shapiro alias Zapiro, von Beruf Karikaturist und derzeit im Kreuzfeuer der politischen Entwicklungen in Südafrika. Wieder hält er ein Blatt Papier hoch, sein neuester Streich: Jacob Zuma steht unter der Dusche, die praktischerweise aus seinem Hinterkopf ragt. Dabei hebt er eine Hand zum Schwur, den ihm ein Richter abnimmt – er wird ins höchste Amt des Landes eingeführt.
„Ich kann doch nicht die Tatsache ignorieren, dass er eigentlich nicht Präsident dieses Landes sein dürfte“, sagt der 51-jährige Künstler, der regelmäßig im Mail & Guardian und der Sunday Times publiziert. Beweise für Zumas Korrumpierbarkeit seien nicht wegzuwischen. Und der Gerichtsprozess gegen Zuma wegen angeblicher Vergewaltigung einer HIV-infizierten Bekannten 2006 hätte laut Zapiro auch anders ausgehen können. Seit dem Freispruch Zumas montiert Zapiro in seinen Cartoons stets eine Dusche an dessen Kopf, denn der 67-jährige Politiker des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC) sagte vor Gericht, er habe keine Verhütungsmittel zur Hand gehabt, aber nach dem Beischlaf geduscht. Skandalöse Aussage in einem Land, in dem mehr als 20 Prozent der Bevölkerung HIV-infiziert sind. Das „Markenzeichen Dusche“ wird Zuma erhalten bleiben, auch als Präsident.
Viele Südafrikaner belustigt es, die ANC-Führung aber und ihre Anhänger sind verärgert. Zuma überschüttete Zapiro mit Klagedrohungen. Der setzte noch eins drauf: Als Zuma durch politische Manöver trotz heftiger Korruptionsvorwürfe vor Gericht davonkam, zeichnete er Zuma als Vergewaltiger der Lady Justice, angefeuert von der ANC-Führungsriege „Go for it, Boss!“ Zuma und seine Clique, wie Zapiro sie nennt, holten aus – und verklagten den Künstler wegen Verleumdung auf Zahlung von 15 Millionen Rand. Inzwischen sind es nur noch 2 Millionen Rand (ca. 174.000 Euro): „Zuma wird sich wohl als Präsident nicht im Zeugenstand zu den Darstellungen äußern“, vermutet Zapiro. Das Telefon klingelt, eine internationale Nachrichtenagentur fragt nach: „Es gibt noch keinen Gerichtstermin, aber ich werde die Sache ausfechten“, sagt Zapiro. „Pure Einschüchterungstaktik. Falls Zuma eine Einigung oder Entschuldigung anstrebt – die wird er nicht kriegen.“
Der heiß debattierte Zuma-Cartoon hat Zapiros Bekanntheitsgrad im Ausland erhöht, trotzdem ist der Karikaturist verärgert. Er brachte seine Verärgerung über die ANC-Politik zu Papier und wurde vom ANC als „Rassist“ abgestempelt. „Erstmals seit 25 Jahren soll ich ein Rassist sein?“ Staatsfeind Nummer eins – das geht Zapiro unter die Haut. Der ANC behauptete, „Justizia“ sei im Cartoon weiß gewesen, und unterstellte, Zapiro ließe Zuma weiße Frauen vergewaltigen. Für Zapiro ist die Dame von der Justiz eindeutig schwarz, zudem dürfe man ein Symbol nicht in diesem engen Sinn interpretieren, sagt er. Die alte Schwarz-Weiß-Debatte sei völlig fehl am Platze.
Zapiro ist die Karikatur nicht einfach so unterlaufen, die Explosivität des Themas war ihm bewusst. Er will den Politikern auf die Finger schauen. Cartoons können dabei etwas übertreiben, meint er, aber es gehe doch auch um das „Was wäre, wenn?. Er, der Aktivist, der sich in seiner Heimat für eine nichtrassistische Gesellschaft einsetzte und im Militärdienst das Tragen von Waffen verweigerte, kann von seinen Prinzipien nicht abweichen. Äußerungen zur Israelpolitik brachten dem Juden Shapiro nicht gerade Lob von der jüdischen Gemeinde Südafrikas ein.
Der in Kapstadt geborene Künstler bedauert, dass er nicht mehr das Gefühl hat, die Mehrheit des Landes in seiner Arbeit widerzuspiegeln. Als er ab 1994 für die schwarze Zeitung Sowetan sechs Jahre lang Cartoons zeichnete, kannte niemand sein Gesicht. Das Erstaunen war groß, als er im Radio interviewt wurde und eine „weiße“ Stimme hatte: „Doch das hat der Sympathie meiner schwarzen Leser für mich keinen Abbruch getan.“
Zapiro war „einer von ihnen“, er war Anti-Apartheid-Aktivist und seit 1988 ANC-Mitglied. Zu Zeiten von Thabo Mbeki, Zumas Vorgänger, hatte er ebenfalls viel zu sagen: „Den habe ich doch auch hart angegriffen.“ „Mbeki war paranoid, was Kritik anging, hat sich aber nie geäußert.“
Der dunkelhaarige Zeichner springt begeistert wieder auf, wühlt in einem neuen Stapel von Cartoonsammlungen: „Da ist doch …!“ Er kann nicht finden, was er sucht, blättert in einer anderen Ausgabe, im „Da Zuma Code“. Die Ideen gehen nie aus: Der tanzende, schielende, duschende, Frauen anbetende Politiker. „Klar, manchmal ist es leer im Kopf“, grinst er. Zapiro trägt ein kleines Notizbuch mit sich rum, da kritzelt er Gedanken, auch manchmal nur Wörter hinein. „Irgendwann entsteht daraus was Brauchbares.“ Dann fischt er einen Cartoon hervor: „Hier, Zuma ist politischer Komödiant, er erzählt jedem, was er hören will. Der Linksrutsch für Arme – ich glaube nicht daran.“
Zapiro hatte früher Respekt vor Zuma, dem einst linken Gewerkschafter, der sich aus armen Verhältnissen herausgearbeitet hat. Ein Präsident zum Anfassen, wie einst Mandela. Aber der habe seine kritischen Cartoons in seiner Amtszeit mit Humor genommen. „Zuma fehlt die moralische Integrität.“
Was erwartet Zapiro von Zumas Regierungszeit? Seine persönlichen Schwächen werden durchscheinen, meint der Karikaturist. „Er kann sich nicht kontrollieren.“ Zumas abfällige Äußerungen über Schwule, sein Nichteingreifen, als tausende Anhänger beim Vergewaltigungsprozess vor Gericht „Burn that bitch!“ brüllten, das sind für ihn alles reaktionäre Signale.
Zapiro sieht auch erste Anzeichen von Zensur. Damals, als ein junger Zapiro die weiße, rassistische Regierung anprangerte, wurden Zeitungen und Cartoons, Poster von ANC-Führern verboten. „So schlimm wird es nicht werden“, lenkt er ein. Dennoch: Eine „Muppet-Show“ für das Fernsehen, mit von ihm entworfenen Figuren ist kurz vor der Ausstrahlung gestoppt worden. Die in Südafrika nach der Apartheid entstandene Freiheit in der Debatte wurde von den Satirikern und Karikaturisten mit großer Offenheit – und „einer ungewöhnlichen Leidenschaft“ – als Kunstraum genutzt.
Zapiro, der Aktivist, der Südafrika zum Studium in New York verließ und nach 1990 zurückkehrte, versteht sich als visueller Kolumnist, der jeden aufs Korn nimmt, der es verdient. „Ich wünsche Zuma Erfolg, auch wenn ich dann weniger Material habe“. Zapiros Augen funkeln, er strahlt in seiner Jugendlichkeit. Nein, den ANC konnte er dieses Mal nicht wählen. Er unterstützte die liberale Oppositionspartei Demokratische Allianz mit Helen Zille in Kapstadt, wählte aber landesweit eine andere Oppositionspartei. Vielleicht COPE, die ANC-Abspaltung? „Die kommen aus Mbekis Lager, die mag ich nicht.“ Zapiro würde gern wieder den ANC wählen.