Hamlet an Konzernspitze

Der Designeranzug sitzt perfekt. Die Überwachungskamera ist allgegenwärtig. Ophelia karaokt sich in den Wahnsinn. Ulrich Greb inszeniert am Schlosstheater Moers einen Dänenprinzen in der Jetztzeit

AUS MOERSPETER ORTMANN

Das bekannte Spiel beginnt recht ungewöhnlich in einem kunststoffweiß gekachelten Bühnenraum mit schalldichter Tür. Spuren werden verwischt, Akten vernichtet, Telefone ausgetauscht. Das Gespenst von Hamlet glüht in Moers grünlich unter der aufgeklappten Fußbodenabdeckung. Eine laufende Überwachungskamera ist wie selbstverständlich allgegenwärtig.

Die Handlung in Shakespears Trauerspiel könnte auch aktuell auf der Weltbühne stattfinden. Kürzlich in einer Provinzstadt. Jetzt in einer Konzernzentrale. Der Moerser Theaterintendant Ulrich Greb inszeniert im Schloss einen Hamlet, dessen blutige Handlung sich im Sitzungszimmer eines Ministeriums vollzieht. Anzüge und Schlipse statt prunkvoller Roben oder Schwertgeklirr. Der Prinz von Dänemark kommt der bekannten Wahrheit auf die Spur. Sein Onkel mordete vor zwei Monden seinen Vater, heiratete vier Wochen später seine Mutter und macht nun einen auf Staatsmann, bis die riesigen Kacheln des Reiches polternd von der Decke fallen. Das in Moers nur ein kleiner Guckkasten zur Verfügung steht und keine riesige Bühne, stört die Geschichte um die Auflösungserscheinungen in Dänemark nicht.

Auch die moderne Adaption von Greb erscheint auf den ersten Blick schlüssig, der selbstsüchtige Weg zur Macht universell. Aufschlussreich auch für Besucher, die mit langatmigen, überladenen Hamlet-Inszenierungen ihre Schwierigkeiten haben. Aber die Aktualität hat ihre Tücken, denn sie überlagert jedes Geheimnis. Sie verflacht alle Kanten. Sie läßt die Figuren und ihre feinen psychologischen Interaktionen schnell steril werden. Fragen nach dem Sinn von Rache und der Qualität von Schuld werden oberflächlich. Selbst die hervorragend von Eva Müller gespielte Ophelia muß zum quäkenden Karaokespielzeug greifen, um zeitgenössisch dem Wahnsinn zu verfallen. Dabei schaufelt sie Erde und Knochen aus dem Loch im Sitzungszimmer, in dem anfangs auch der Geist erschien. Insgesamt hat die Regie Shakespeare und seinen Text zu viel modernisiert, zu oft mögliche eigene Gedankengänge des Zuschauers ohne Not begradigt.

Daran ändern auch die guten Schauspieler nichts. Obwohl Werner Strengers Hamletinterpretation sich zu oft der Inszenierunglinie beugen muss. Die automatische Pistole im Hosenbund wirkt sichtbar hinderlich und manche Szene erscheint im modernen Outfit ungewollt unwahrhaftig. Strenger könnte bestimmt mehr. Überzeugend ist dagegen Markus Rührer als Oberkämmerer Polonius. Ihm sieht man die Zeitreise des Beamtenstaats nicht an und auch das digitale Aufnahmegerät beim Lauschangriff erscheint plötzlich folgerichtig. Ansonsten wirkt dieser Grebsche Hamlet durch viele Kleinigkeiten zu linear, zu eckenlos.

Schloßtheater MoersHamlet21., 22.12., 19:30 UhrInfos: 02841-201733