: Lizenz zum Geld drucken
Auf Wunsch von Microsoft, Nokia und Vodafone gibt es jetzt auch Webadressen mit der Endung „.mobi“
Erinnert sich noch jemand an die ICANN? Die Abkürzung für „Internet Corporation for Assigned Names and Numbers“ bezeichnet den merkwürdigen Verein, den Bill Clintons Internetberater einst erfunden haben, um zu verhindern, dass die UNO oder andere nicht von den USA beherrschbare internationale Organisationen Einfluss auf das Internet nehmen können. Manche Kommentatoren haben von einer virtuellen Weltregierung gesprochen, einige Politologen sahen sogar eine neue Art der digitalen Volksherrschaft heraufziehen. Das war natürlich immer schon blanker Unsinn. Die ICANN hat sich selbst lediglich das Recht zugesprochen, darüber zu entscheiden, was nach dem letzten Punkt in einer Webadresse stehen darf: „com“, oder „org“ (oder auch „de“ oder „jp“, wenn der Eigentümer möchte, dass seine nationale Identität erkennbar wird).
Man kann sich stundenlang darüber streiten, was aus diesem Recht folgt, und ob es überhaupt nötig sei, diese so genannten Top-Level-Domains zentral zu regeln. Seit der letzten Sitzung der ICANN ist aber auch das nicht mehr nötig. Es geht ausschließlich um das Geld, das sich mit neuen Adressenendungen verdienen lässt. Die Firmen Microsoft, Vodafone und Nokia haben verlangt, dass die Endung „.mobi“ neu eingeführt werden soll. Sie selbst und die von der ICANN beauftragten Registrierungsbüros wollen damit ohne irgend eine Gegenleistung Gebühren von Kunden einkassieren, die Internetdienste für Handys anbieten. Umgehend hat die ICANN diesem Wunsch entsprochen, obwohl es dafür keinen einzigen sachlichen Grund gibt.
Niemand Geringeres als Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, hat darauf schon im Mai dieses Jahres hingewiesen. Es lohnt sich sehr, seinen Text unter www.w3.org/DesignIssues/TLD nachzulesen. Das System der Webadressen ist die einzige Stelle, an der das Internet verwundbar ist. Denn dieses System ist hierarchisch, obwohl das Internet selbst ein Netz unter Gleichen ist. Dieser Nachteil sei bisher von dem Nutzen einer klaren und einfachen Ordnung der Adressenräume aufgewogen worden, meint Berners-Lee. Sobald aber die obersten Ebenen dieser zentralen Ordnung selbst aus völlig sachfremden Gründen erweitert werde, leide die Architektur des Netzes insgesamt. Und schon gar nicht einleuchten will ihm, was Handybesitzer davon haben sollen, dass sie ihre Webseiten nur unter der Endung „.mobi“ anschauen dürfen.
Aber Argumente von Fachleuten interessieren in der ICANN niemanden mehr. In ihren diversen Arbeitsgruppen sitzen Rechtsanwälte und Industrie-Lobbyisten – und sie selbst bracht dringend Geld. Ihre Konferenzen haben dieses Jahr über 15 Millionen Dollar gekostet. Neue Adressenendungen sind wie frisch gedrucktes Bargeld. Die ICANN stopft ihre Haushaltslöcher mit der Notenpresse – und verhält sich insofern tatsächlich wie eine ganz normale Regierung. NIKLAUS HABLÜTZEL