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Archiv-Artikel

Neuer Streit um Juden

Koalition uneins: Grüne protestieren gegen die geplante Begrenzung der jüdischen Einwanderung. SPD ist dafür

BERLIN taz/kna ■ Die von den Innenministern aus Bund und Ländern geplante Verschärfung der Einwanderungsregeln für Juden aus der ehemaligen Sowjetunion hat zu deutlichen Meinungsverschiedenheiten in der rot-grünen Koalition geführt. Während SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz die neuen Zuzugsbedingungen „im Wesentlichen okay“ nannte, erklärte Grünen-Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, die geplanten Vorschriften seien „zu restriktiv und so nicht akzeptabel“. Zuvor hatte bereits der Zentralrat der Juden protestiert.

Wegen des Streits ist unklar, ob die Änderungen zum 1. Januar in Kraft treten. Das Bundesinnenministerium betonte, es sei noch nichts entschieden. Zur Zeit liefen „sehr intensive Gespräche“ mit dem Zentralrat und der Union progressiver Juden.

Wie gestern berichtet, wollen Innenminister Otto Schily (SPD) und seine Länderkollegen künftig von jüdischen Einwanderern deutsche Sprachkenntnisse verlangen und eine Altersgrenze von 45 Jahren einführen. Außerdem sollen die Antragsteller nachweisen, dass sie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sind und eine Einladung einer jüdischen Gemeinde in Deutschland vorlegen. Damit würde sich die Einwanderung aus der Exsowjetunion drastisch reduzieren. Die Zuzugszahl betrug im Jahr 2003 nach dem jüngsten Migrationsbericht der Regierung 15.442; 2002 waren es über 19.000.

Die Grünen kritisierten, dass der Bundestag bisher nicht in die Beratungen einbezogen worden sei, und meldeten grundsätzliche Bedenken an. Beck betonte, er könne „keine Notwendigkeit für eine grundlegende Neuregelung und drastische Begrenzung der jüdischen Zuwanderung“ erkennen. Bei den Verhandlungen über das Zuwanderungsgesetz sei lediglich vereinbart worden, dass die Innenminister Pläne ausarbeiten sollen, um den Missbrauch der geltenden Vorschriften, etwa durch gefälschte Dokumente, abzustellen, sagte Beck der taz. „Da kann man jetzt nicht einfach im Hinterzimmer, ohne dass alle damit einverstanden sind, die Voraussetzungen für jüdische Zuwanderung ändern.“

Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, dagegen hält die angestrebte Verschärfung der Zuzugsbestimmungen für richtig. „Wir sollten im Regelfall schon darauf achten, dass Einwanderer in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt selbst zu bestreiten“, sagte Wiefelspütz der taz. Ähnlich äußerte sich auch der CDU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach. „Für das Anliegen der Minister habe ich Verständnis“, sagte er. „Die schwierigste Frage ist aber: Wie stellt man fest, wer jüdischen Glaubens ist?“

Der FDP-Innenpolitiker Max Stadler kritisierte, „dass wieder mal eine fragwürdige Neuerung am Bundestag vorbei eingeführt werden soll“. Stadler sagte der taz: „Ich erwarte, dass die Pläne in der ersten Sitzung des Innenausschusses nach Weihnachten vorgestellt und bis dahin keine endgültigen Fakten geschaffen werden.“ LUKAS WALLRAFF