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Archiv-Artikel

Abenteuer und Schauwerte

Jackie Chan gibt Frank Coracis Neuverfilmung von „In 80 Tagen um die Welt“ postkolonialen Charme

Zu den Fernseh-Höhepunkten meiner Kindheit gehörte Michael Andersons berühmter Abenteuerfilm „In 80 Tagen um die Welt“ mit David Niven von 1956. Erstens, weil Liebe hier so gut wie keine Rolle spielte und es stattdessen um Bewegung, um Aktion ging. Zweitens, weil die Technicolor-Farben alles, was der Wald hinter unserem Haus zu bieten hatte, in den Schatten stellte. Und drittens, weil mit den vielen Ländern auch unzählige Genres bereist wurden – sogar der Wilde Westen.

Gegen solche Erinnerungen haben Neuverfilmungen immer einen schweren Stand. Frank Coracis Adaption des Jules-Verne-Stoffes verhält sich zu diesem Erbe, indem sie die Geschichte um Phileas Fogg, der einer Wette wegen von London aus in 80 Tagen einmal den Globus umrunden muss, neu aufzäumt. Der eigentliche Held ist der schon 1956 alles andere als unwichtige Diener Passepartout, gespielt von Jackie Chan und angelegt als chinesischer Freiheitskämpfer. Passepartout, der hier eigentlich Lau Xing heißt, begleitet den jungen Erfinder Phileas Fogg (Steve Coogan) nicht nur als rettender Engel auf seinen Reisen, er gibt dem Film auch seinen zweiten Handlungsstrang: Ein Jade-Buddha, von der Tyrannin General Fang (Karen Joy Morris) als Gegenleistung für britische Militärhilfe geraubt, muss schnellstmöglich zurück in Lau Xings Dorf verbracht werden.

War in der Fassung von 1956 die Weltreise das Vehikel für jede Menge Abenteuer und Schauwerte, gibt es hier also gleich zwei Aufhänger für Spektakuläres. Und weil sich zu den zwei Hauptfiguren die selbstbewusste Pariser Künstlerin Monique La Roche (Cécile De France) gesellt, bleibt das aktive Moment – der Motor des Films – nicht rein männlich konnotiert. Nicht nur der Kolonialismus wird darüber ganz nebenbei zum Thema, sondern auch das Geschlechterverhältnis.

Gemeinsam bekommt man es dann unter anderem mit Arnold Schwarzenegger zu tun, der als narzisstischer Sultan Hapi seine beste Selbstimitation seit „The Last Action Hero“ abliefert und mit einer Frisur, angesiedelt zwischen Albrecht Dürer und Whoopie Goldberg, die Laute zupft. Luke und Owen Wilson legen eine kleine Brüdershow im Wilden Westen hin, und immer wieder bekommt Jackie Chan Gelegenheit, seine charmante Action-Hektik zu verbreiten, bei der eine Holzbank zur perfekten Waffe wird.

Das Ende der Geschichte ist vorgeschrieben, daran ist nicht zu rütteln. Doch noch das Beinahe-Schlusswort von Phileas Fogg erzählt davon, wie hier die alte Reise neues Leben gewinnt: „Ich fuhr in die Welt, lernte andere Kulturen kennen, habe Frauenkleider getragen – was stört mich da eine verlorene Wette?!“

JAN DISTELMEYER

„In 80 Tagen um die Welt“. Regie: Frank Coraci. Mit Jackie Chan, Steve Coogan u. a. USA 2003, 120 Min.