: Ein Star namens Röschen
Ursula von der Leyen, bisher noch Sozialministerin in Niedersachsen, wird der Politaufsteiger des Jahres 2005
And the winner is ... Ursula von der Leyen! Merz, Arentz, Meyer – und natürlich Seehofer. Je mehr Führungspersonal die Union verliert, desto größer werden die Chancen der niedersächsischen Sozial- und Gesundheitsministerin, bald zu den ganz Großkopferten an der Seite von Angela Merkel aufzusteigen. 2005 dürfte von der Leyens Jahr werden. Gerade wurde sie auf dem Düsseldorfer Parteitag mit einem Traumergebnis von 94,1 Prozent ins CDU-Präsidium gewählt. Demnächst könnte die 46-jährige Ärztin als Schattenministerin ins Kabinett Merkel berufen werden. Auf jeden Fall, so ist zu hören, tauschen von der Leyen und die ungeliebte Parteichefin inzwischen häufiger mal eine SMS aus.
Dabei bewarb sie sich erstmals 2002 um ein Landtagsmandat. Bereits im vergangenen Jahr verhandelte sie auf Unionsseite die Reform des Gesundheitswesens (Praxisgebühr) mit. Im Herbst war sie bei dem Gremium dabei, dass die Kopfpauschale mit der Merz‘schen Bierdeckel-Steuerreform verzahnen sollte.
Ein anderes Gerücht lautet so, dass von der Leyen Ministerpräsident Christian Wulff beerbt, falls der „Reserve“-Kandidat beim Straucheln Merkels in die Bütt geht. Dann hätte „Röschen“ (ihr Spitzname zu Hause) etwas mit George W. Bush gemeinsam: Von der Leyens Vater Ernst Albrecht regierte Niedersachsen von 1976 bis 1990. Das Dauerlächeln hat sie wohl von ihm übernommen – auch wenn viele darin nur eine Maske sehen. Aber nicht nur im Grinsen ist sie der verkniffenen Merkel überlegen. Von der Leyen kommt nicht aus dem Osten, ihr Wahlkreis ist Lehrte bei Hannover.
Und „Lesben“-Gerüchte, die Annette Schavans Kandidatur in Baden-Württemberg zunichte machten, können bei der derzeit hoffnungsvollsten Frau der Union gar nicht erst entstehen. Der Grund: Sie ist Mediens Darling. Viele Artikel über von der Leyen fangen mit der Zahl „Sieben“ an. Das ist die Zahl ihrer Kinder, die sie bei jedem Auftritt in der Öffentlichkeit wie eine Monstranz vor sich herträgt. In einer wöchentlichen Kolumne in der regionalen Ausgabe der Bild-Zeitung belehrt die CDU-Frau über Rabenmütter, Markenklamotten und Abendgebete, in der Zahl der Talkshow-Auftritte dürfte sie ihren Chef Wulff auch in diesem Jahr überrundet haben. Und immer wieder geht es darum, wie die zierliche Person es wohl schafft, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen.
Das bundesweite Image entspricht jedoch kaum dem Bild, dass viele Niedersachsen mittlerweile von der resoluten Frau gewonnen haben. Sie kürzte bei Frauenhäusern, Zuwendungen an Pflegebedürftige und vor allem beim Blindengeld – ein eiskalter Engel, klagen SPD und Grüne. „Noch nie hatten wir in Niedersachsen eine Sozialministerin, die so wenig Interesse für die sozial Schwachen im Lande hatte, dafür aber um so mehr an ihrer eigenen Karriere in der Partei“, ätzte SPD-Fraktionschef Sigmar Gabriel im Dezember-Plenum des Landtags – von der Leyen bebte.
Fast noch interessanter war, dass die Unterstützung für den Shooting-Star in den eigenen Reihen mau ausfiel. „Niemand vermarktet seine Familie auch nur ansatzweise so wie sie“, sagt ein Kabinettsmitglied. In der CDU sprechen viele von „Neid“. Also: An dem Gemunkel, sie könnte im Fall eines Falles Niedersachsens erste Ministerpräsidentin werden, ist wohl doch nicht so viel dran. Kai Schöneberg