: Fragwürdiges Vorbild Köln
Ob das Hartz-Vorbild „Kölner Modell“ überhaupt zur Reduzierung von Arbeitslosigkeit taugt, ist nie evaluiert worden. Sicher ist nur: Wer sich den „Förder“-Maßnahmen verweigert, fliegt aus der Hilfe
von Albrecht Kieser
Zum 1. Januar kommt Hartz IV. Das so genannte Kölner Modell mit seiner „JobBörse Junges Köln“ ist einer der wichtigsten Vorläufer der umstrittenen Gesetzesänderungen. Schon seit 1998 müssen in Köln arbeitslose, erwerbsfähige Jugendliche unter 25 irgendeinen Job oder eine berufsqualifizierende Maßnahme annehmen, sonst wird die Sozialhilfe gestrichen. Eine Evaluation dieses Kölner Modells liegt deshalb längst vor – sollte man meinen. Doch überraschenderweise haben weder die Stadt Köln, noch Land oder gar Bund das Modellprojekt wissenschaftlich ausgewertet. Die zuständige Kölner Sozialdezernentin Marlis Bredehorst bedauert das zwar, aber es sei halt kein Geld da.
Dieses Manko hat erhebliche Folgen. Bis heute kann niemand sagen, wie viele der Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Kölner Modell tatsächlich dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden konnten – darin besteht ja angeblich der Hauptzweck dieses Projekts. Verschiedene Untersuchungen der JobBörse oder der Bildungsträgern bis zum Jahr 2001 geben sehr unterschiedliche Erfolgsquoten an. Zwischen 16 und 56 Prozent der Teilnehmer seien in Arbeitsstellen oder Fort- und Ausbildungen vermittelt worden – aber wie lange sie dort geblieben sind, weisen die Untersuchungen nicht aus. Einer der Träger verfügt über aktuellere und differenziertere Vermittlungszahlen; danach bekommen derzeit etwa 20 Prozent seiner Teilnehmer einen festen Job im ersten Arbeitsmarkt, weitere 10 Prozent gehen in eine Ausbildung über. Allerdings: die Bildungseinrichtung Jugendwerkstatt Klettenberg, die sich nicht dem Kölner Modell angeschlossen hat, verzeichnet einen ähnlichen Vermittlungserfolg.
Fest steht jedenfalls, dass das Kölner Modell die Arbeitslosigkeit in der Stadt nicht reduziert. Auch die Sozialdezernentin hat keinerlei Illusionen in dieser Richtung. Für sie wäre schon viel erreicht, wenn das Kölner Modell den erwerbslosen Sozialhilfeempfängern „dieselben Chancen gibt wie den Kurzzeitarbeitslosen, nämlich überhaupt mal wieder einen Job zu kriegen“.
Mehr als den Kreis derer zu erweitern, die um einen Arbeitsplatz konkurrieren, leistet das Kölner Modell also selbst in den Augen seiner Protagonisten nicht. Etwas wenig, um die kollektive Zwangsverpflichtung aller erwerbslosen Sozialhilfeempfänger zu rechtfertigen, meinen die Kritiker.
Doch das Kölner Modell entzieht nicht nur allen, die die angebotenen Maßnahmen nicht annehmen oder abbrechen, die Sozialhilfe. Es behauptet darüber hinaus, die angebotene „Hilfe“ in den „Sprungbrett“ genannten Maßnahmen müsse an die Zahlung der Sozialhilfe gekoppelt werden, sonst erreiche man die einschlägige Klientel nicht. Das aber sei zum Scheitern verurteilt, so die Kritiker. Es sei eine kaum lösbare Aufgabe, die Teilnehmer, die sich zwangsverpflichtet fühlen, zur Mitarbeit zu motivieren, findet etwa Christoph Mülders vom Sprungsbrett-Träger EVA, dem „Ehrenfelder Verein für Arbeit und Qualifizierung“. Allerdings gäbe es auch Teilnehmer, die froh über den Druck seien, der sie in die Maßnahme gebracht habe.
Bloß sei das, argumentieren zum Beispiel Thomas Münch, Ex-Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums KALZ, oder Helga Spindler, Professorin für Sozialrecht an der Universität Essen, kein Grund, ein ganzes Kollektiv in Haft zu nehmen und allen die Sozialhilfe zu entziehen, die sich den Zwangsmaßnahmen von JobBörse oder Sprungbrett-Trägern nicht unterwerfen. Sie sehen den eigentlichen Sinn der Zwangsmaßnahmen beim Kölner Modell denn auch ganz woanders: Der Druck, den die JobBörse ausübt und der sich in den Sprungbrett-Maßnahmen fortsetzt, dränge eine große Zahl von Sozialhilfeberechtigten aus dem Hilfesystem und bringe sie um ihr Recht auf Sozialhilfe.
Tatsächlich, so zeigen die wenigen vorhandenen Untersuchungen über den Erfolg der Sprungbrett-Maßnahmen, bleiben etwa 40 Prozent der Antragsteller auf Sozialhilfe den Maßnahmen fern, treten erst gar nicht an oder brechen ab. Sie wurden aus dem Sozialhilfesystem gekippt, ohne dass jemals ihr Rechtsanspruch auf Sozialhilfe geprüft werden konnte oder sie Gelegenheit zu Widerspruch oder Klage gegen den Entzug von Sozialhilfe gehabt hätten.
Kritiker des Kölner Modells sagen nun, genau darin bestehe auch das wesentliche arbeitsmarktpolitische und fiskalische Ziel vom Hartzschen „Fördern und Fordern“: Antragsteller aus der Sozialhilfe drängen und den Zwang erhöhen, jede noch so schlecht bezahlte Arbeit anzunehmen, um zu überleben. Dafür wäre das Kölner Modell tatsächlich ein gelungenes Pilotprojekt.