: „Viele Stadtkinder kennen das ja nicht“
INSELURLAUB Seit fünf Jahren leitet Mechtild Mählen das Hamburger Jugenderholungsheim Puan Klent auf Sylt. Ein Gespräch über Inselkoller, Ehrenamtliche und kulinarische Highlights
■ ist gelernte Industriekauffrau und Familienpflegerin.Foto: privat
INTERVIEW: MATHIAS BECKER
taz: Frau Mählen, trinken Sie eigentlich Pfefferminztee?
Mechtild Mählen: Ja, sehr gern sogar. Aber morgens brauche ich unbedingt einige Tassen Kaffee für den Kreislauf.
Wie fühlt man sich so, nach fünf Jahren im Jugenderholungsheim?
Einfach super, ich habe hier meinen absoluten Traumjob gefunden. Und mittlerweile habe ich mich auch an das Leben auf der Insel gewöhnt. Das war am Anfang nicht ganz leicht, zum Beispiel wenn ich die Straße von Westerland nach Puan Klent gefahren bin und mir klar wurde: Diesen Weg nimmst du jetzt wohl bis zu deiner Pensionierung. Links und rechts ist ja das Meer. Da bekommt man schon mal den Inselkoller.
Das Gefühl, vom Rest der Welt abgeschnitten zu sein?
Wenn man auf Sylt lebt, kostet jede Reise viel Zeit und Geld. Man fährt nicht „mal eben“ aufs Festland. Dabei vermisse ich manchmal das kulturelle Angebot in der Stadt. Oder einen Spaziergang durch einen Laubwald. Auf der anderen Seite liebe ich diese Insel und die Menschen, die auf ihr leben.
Was macht die Insulaner aus?
Sie wirken auf den ersten Blick manchmal abweisend und können doch so herzlich sein. Leider hatte ich noch keine Gelegenheit, Sölring – das ist das Sylterfriesisch – zu lernen.
Andere machen Urlaub auf Sylt, Sie müssen schuften.
Ja, in der Saison 60 bis 70 Stunden pro Woche, zu Spitzenzeiten besteht unser Team aus bis zu 30 Leuten. Da bleibt nicht viel Zeit für ein Privatleben. Wir erhalten aber auch viel ehrenamtliche Unterstützung: Hamburger Ärzte haben eine Notfall-Sprechstunde eingerichtet. Unsere Rettungsschwimmer sind vorwiegend Polizisten aus Hamburg. Für ihren Einsatz sind wir sehr dankbar.
Gab es schon Badeunfälle bei Ihnen?
Bis heute nicht und das soll auch so bleiben. Deshalb ist das Baden an unserem Strand nur zu festen Badezeiten und unter Aufsicht erlaubt.
Mechtild Mählen, Heimleiterin
Im vergangenen Winter haben Sie Freiwillige aufgerufen, bei Ihnen mit anzupacken. Geht es dem Heim so schlecht?
Die Leute konnten für wenig Geld bei uns wohnen und haben dafür Gras gemäht, Rosen geschnitten oder Stühle gestrichen. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert, und doch gibt es noch viel Arbeit.
Zum Beispiel?
Was wir dringend bräuchten, wären mehr Personalunterkünfte. Die meisten unserer Mitarbeiter wohnen auf dem nahen Festland, das ist immerhin anderthalb Stunden entfernt. Aber die Wohnungen auf der Insel sind einfach zu teuer. Insgesamt würden wir uns für dringende Sanierungsmaßnahmen noch mehr Unterstützung von den Hamburger Behörden wünschen.
Gibt es eigentlich noch den berühmten „Brausebrunnen“ von Puan Klent – den Wasserhahn, aus dem Tee kommt?
Nein, das geht aus hygienischen Gründen nicht mehr. Aber wir haben einen Mineralwasserspender, an dem man sich jederzeit bedienen kann.
Seit 2003 können Lehrer nur noch die Stunden als Arbeitszeit anrechnen, die während der Klassenfahrt an der Schule ausfallen. Welche Auswirkungen hatte das für Sie?
Viele Klassenreisen wurden auf vier Nächte verkürzt. Die übrigen drei Nächte müssen wir anderweitig vermieten, zum Beispiel an Familien. Außerdem haben wir das Glück, dass wir nicht nur auf Hamburger Schulklassen angewiesen sind. Zu uns kommen auch Schulen, Sportvereine und andere Gruppen aus ganz Deutschland.
Was kann man bei Ihnen unternehmen?
ist seit 1920 das Hamburger Jugenderholungsheim auf Sylt.
■ Seinen Namen hat es von der nahe gelegenen Düne „Pauns Klint“.
■ In Puan Klent kann man Fußball, Basketball und Tischtennis spielen, außerdem werden Rallyes, Gesellschaftsspiele und eine Kinderdisco angeboten.
■ Das Gästehaus mit 78 Betten wurde vor fünf Jahren umgebaut und mit Bädern ausgestattet, eine vierköpfige Familie mit Kleinkindern kann hier ab 81 Euro pro Nacht unterkommen – inklusive Vollverpflegung.
■ Kontakt: Hörnumer Straße 83 D-25980 Rantum / Sylt, ☎ 04651–96 44–0 MB
Ganz wichtig sind natürlich die Wattwanderungen und unser kleines Umweltlabor. Man kann aber auch einfach so draußen spielen. Diese Weite ist schon etwas ganz Besonderes – viele Stadtkinder kennen das ja gar nicht. Wenn ich sehe, wie die den ganzen Tag herumlaufen und sich abends auf das Buffet stürzen, geht mir schon das Herz auf.
Was gibt es denn bei Ihnen zu essen?
Alles, von Nudeln bis Schnitzel. Für Moslems und Vegetarier haben wir einen speziellen Speiseplan. Besonders beliebt sind unsere Schalen mit frischem Obst und Gemüse. Nehmen Sie nur mal Ananas oder Kohlrabi: Es gibt Viertklässler, die haben so etwas noch nie gegessen.
Die Klassenreise als kulinarische Erfahrung?
Ein Highlight bleibt trotzdem unser Kiosk. Wir machen zwei Mal am Tag für eine Stunde auf, dann beschäftigt die Kinder nur eine Frage: Der rote Lolli oder der schwarze?