: Zwölf Uhr mittags
Schon morgen beginnt der FC Chelsea das neue Fußballjahr mit einem Match beim FC Liverpool
LONDON taz ■ „Im Norden“, hat Manchester United-Trainer Alex Ferguson neulich orakelt, „wird Chelsea noch viele Punkte lassen.“ José Mourinho, ein Mann mit Sinn für Ironie, hatte die passende Antwort gleich parat: „Fest steht auf jeden Fall, dass United im Süden, gegen Portsmouth und uns, schon viele Punkte verloren hat. Ich bin gespannt, was uns da im Norden erwartet, ich lerne gerne dazu.“
Wenn der passionierte Espressotrinker vor dem morgigen Spitzenspiel in Liverpool eine kleine Stadtrundfahrt machen würde, könnte er unter anderem sehen, dass es in den nördlichen Gefilden nicht ganz so viele „Starbucks“-Cafés wie an der Themse gibt und die Mädchen dort selbst zum Jahreswechsel weniger anziehen als die Senhoritas in Porto im Hochsommer. Aber zu solchen netten Zerstreuungen wird es wohl nicht kommen. Um zwölf Uhr mittags, wenn sich die meisten Insulaner nach der langen Silvesternacht gerade zum ersten Mal im Bett umdrehen, muss der designierte Meister aus Südwestlondon an der Mersey antreten – zur Prime-time in China und Japan übrigens, den wichtigsten ausländischen Fernsehmärkten.
Fünf Punkte Vorsprung gilt es am Neujahrstag zu verteidigen, denn nach Chelseas hart erkämpften 2:0 am 20. Spieltag der Premier League in Portsmouth mit Toren von Arjen Robben und Joe Cole am Dienstag haben auch die beiden Verfolger gewonnen. Manchester United erreichte bei Aston Villa mühsam ein 1:0 (Torschütze: Ryan Giggs), bevor der amtierende Meister Arsenal am Mittwoch das gleiche Ergebnis in Newcastle erzielen konnte. Gunners-Kapitän Patrick Vieira traf gegen die immer tiefer ans Tabellenende rutschenden „Elstern“ mit einem abgefälschten Schuss aus 30 Metern, Arsenal liegt damit weiter fünf Punkte hinter Chelsea auf Rang zwei.
Das Spiel hätte auch anders ausgehen können, aber Arsène Wenger spürt, dass nach einem schwierigen Monat „der Hunger stärker als je zuvor“ ist. „Wir sind wieder im Rennen“, sagte der Franzose, „wir spielen zwar nicht flüssig, zeigen aber Charakter und Erfolgswillen.“ Und während über Jens Lehmanns Bankversetzung in Nordlondon weiter kräftig gerätselt wird, schwinden seine Einsatzchancen mit jedem verpassten Spiel – Wenger betonte nach dem Auswärtserfolg explizit, dass man nun dreimal zu null gespielt habe. Auch beim kleinen Londoner Derby in Charlton wird morgen der Spanier Manuel Almunia das Tor hüten.
Die großen Schlagzeilen aber gehörten gestern Wayne Rooney. Und das nicht nur, weil das Wunderkind von Manchester United seiner Verlobten Coleen McLoughlin zu Weihnachten ein Elefantenbaby geschenkt hat; „sie hat doch schon eins“, witzelte die für tierische Angelegenheiten besonders empfängliche Sun. Der 20-jährige Hitzkopf wurde nach einer kleinen Backpfeife gegen Boltons Tal Ben Haim am Boxing Day aufgrund von Fernsehbildern nun vom Verband für drei Spiele gesperrt, schon die morgige Partie gegen Middlesbrough wird er aussitzen. Ben Haim muss sich nach seinem bühnenreifen Fall wegen Simulation vor dem Disziplinarausschuss verantworten, aber Sir Alex gehen nun ausgerechnet zum 63. Geburtstag die Stürmer aus – Louis Saha, Ole Gunnar Solskjaer und Ruud van Nistelrooy sind alle verletzt – und wie immer bei solchen Gelegenheiten wittert der Schotte ein Komplott gegen seine Mannschaft. „Seit sechs, sieben Jahren machen United-Spieler schlechte Erfahrungen (mit dem Verband)“, weiß auch der geschäftige Verteidiger Gary Neville zu berichten.Bestimmt liegt es daran, dass die Football Association ihren Sitz in London, also im tiefsten Süden hat. RAPHAEL HONIGSTEIN