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Archiv-Artikel

„Lila Eisen“ im Gaza-Streifen

Israelische Panzer rücken erneut in das Flüchtlingslager Khan Junis ein. Soldaten töten sieben Palästinenser, mehrere werden verletzt. Der Einsatz ist eine Reaktion auf Mörser-Beschuss

AUS JERUSALEM ANNE PONGER

Ein massives Aufgebot israelischer Truppen ist, unterstützt von Panzern und Kampfflugzeugen, in der Nacht zum Donnerstag zum dritten Mal in diesem Monat in den südlichen Gaza-Streifen eingedrungen. Ziel der Offensive, die sich auf die Stadt und das Flüchtlingslager Khan Junis konzentriert, ist die Liquidierung von Zellen militanter Gruppen, die allein in der vergangenen Woche 55 Mörser in den benachbarten jüdischen Siedlerbezirk Gusch Katif schossen.

Sowohl die Armee als auch palästinensische Quellen sprachen von sechs getöteten Hamas-Aktivisten und einem Zivilisten sowie zahlreichen Verwundeten durch Angriffe der Bodentruppen und der Luftwaffe. Die Militäroperation namens „Lila Eisen“ soll andauern, bis die vermuteten 10 bis 15 Quellen von Raketen- und Mörserfeuer zerstört sind. „Auch die Siedler sind Bürger Israels, für deren Schutz wir verantwortlich sind“, erklärte der Militärkommandant der Gaza-Truppen, General Aviv Kochavi. Der palästinensische Gouverneur von Khan Junis und die palästinensischen Sicherheitskräfte seien ausreichend gewarnt worden, dass Israel sich der anstehenden Präsidentschaftswahlen am 9. Januar Handlungsfreiheit einräume, falls sich Aggressionen fortsetzten.

Nach dem Tod von PLO-Chef Jasser Arafat ist auf israelischer und palästinensischer Seite verstärkt die Rede von neuen Möglichkeiten in der Region, die auf eine Wiederbelebung des Friedensprozesses hoffen lassen. Israels Ministerpräsident Ariel Scharon plant im kommenden Jahr den Rückzug aus dem Gaza-Streifen, während Mahmud Abbas, Spitzenkandidat für die palästinensische Präsidentschaft, auf den Misserfolg der bewaffneten Intifada hinwies und in Israel als pragmatischer Verhandlungspartner favorisiert wird.

Seit Ägypten versucht, eine Waffenruhe (arabisch Hudna) zwischen den Militanten und der Palästinenserbehörde zu vermitteln, nach der alle palästinensischen Fraktionen sich Gewaltbeschränkungen auferlegen sollen, steckt die Hamas in einem Dilemma. Solange der Waffenstillstand nicht in Kraft ist, versucht sie, den Eindruck aufrechtzuerhalten, dass Israel den Gaza-Streifen nicht freiwillig verlässt, sondern vertrieben wird. Die Organisation bremste zwar den Kassam-Raketenbeschuss von Ortschaften innerhalb Israels, nachdem die Opfer unter der palästinensischen Bevölkerung infolge israelischer Vergeltung dem Ansehen von Hamas schadete. Mörserbeschuss von Siedlungen wird dagegen als Antibesatzungskampf erachtet.

Israels Verteidigungsexperten interpretieren die Ziele der Hamas unterschiedlich. Die einen fürchten, die Hardliner wollten die Wahlen stören. Die anderen meinen, Hamas wolle mit der Fortsetzung des bewaffneten Kampfes einen hohen politischen Preis von der Autonomiebehörde für das Zugeständnis erzwingen, Attacken gegen Israelis einzustellen. Ziel der Hamas sei nicht nur der Kampf gegen die Zionisten, sondern ein der PLO gleichwertiger politischer Status in der Nach-Arafat-Ära.