: „Andere haben einen deutlichen Vorsprung“
Nordrhein-Westfalens sozialdemokratischer Europaminister Wolfram Kuschke über Kompetenzstreitigkeiten in der Europapolitik, mangelnde Information der Länder durch die Bundesregierung und Deutschlands Schwäche in Brüssel
taz: Herr Kuschke, Deutschland agiert in Brüssel zögerlich. Nicht umsonst redet man vom “German Vote“, der Stimmenthaltung der Deutschen, die sich wieder nicht einigen konnten.
Das ist ein zutreffendes Argument. Ich setze aber darauf, dass wir mit dem Bund unterhalb der Verfassungsdiskussion zu vernünftigen Verfahren und Abstimmungsprozessen kommen, um die deutsche Europapolitik schneller und effektiver zu gestalten.
Was wollen Sie ändern?
Die Bundesregierung müsste die Länder früher als bisher über ihre Positionen unterrichten. Schon im Vorfeld eines EU-Beschlusses müssen wir zu klaren Entscheidungen kommen: Kontaktaufnahme, gemeinsame Gespräche und Verabredungen müssten laufen, bevor die Kommission sich endgültig festlegt. Wenn es notwendig ist, müssen Bund und Länder auch Konflikte austragen. Aber in Brüssel selbst muss es dann ein einheitliches Auftreten geben.
Die Abstimmung in Deutschland ist also das Problem.
Die gemeinsame Absprache ist optimierbar – allerdings auch zwischen Ressorts der Bundesregierung. Das muss man deutlich sagen. Die Länder müssen sich oft mit dem Vorwurf auseinandersetzen, der Grund für das mangelnde Tempo sei der Föderalismus, die Abstimmung zwischen Bundesregierung und Bundesländern. Wir haben aber oftmals den berechtigten Eindruck, dass die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung nicht optimal ist und deshalb in Brüssel nicht mit einer Stimme gesprochen werden kann.
Um Kompetenzen wurde auch in der gescheiterten Föderalismuskommission heftig gerungen: Der Bund wollte den Artikel 23 des Grundgesetzes zurücknehmen, der den Ländern eine weitgehende Mitsprache in der Europapolitik zugesteht. Wie könnte ein Kompromiss aussehen?
Auf der einen Seite ist klar, dass wir in Brüssel mit einer deutschen Stimme sprechen müssen. Wir müssen in Deutschland auch in der Lage sein, auf die Verhandlungen in Brüssel schneller zu reagieren als das bislang der Fall ist. Andere EU-Staaten haben da einen deutlichen Vorsprung. Auf der anderen Seite können wir als Länder nicht einfach von unserer Position in Bereichen abrücken, wo wir Gesetzgebungskompetenzen haben. Ich halte nichts davon, den Artikel 23 zu ändern. Ob es soweit kommen wird, weiß ich nicht. Da kann man jetzt nur spekulieren.
INTERVIEW: TORSTEN SCHÄFER