: Aus dem Schatten gehüpft
Mit ihren vorderen Platzierungen beim Neujahrsspringen etablieren sich Georg Späth und Michael Uhrmann endgültig als Hoffnungsträger des DSV, Idole sind sie deshalb aber noch lange nicht
AUS GARMISCH KATHRIN ZEILMANN
Michael Uhrmann hat in seinem Skisprung-Leben nicht wenig erlebt: Ein schlimmer Sturz 1996, der ihn am Fortgang seiner Laufbahn zweifeln ließ, Weltmeister- und Olympiatitel mit der Mannschaft, und jetzt jüngst die Gewichts-Regel, die ihn zum Zunehmen gezwungen hat. Georg Späths Dasein auf Sprungskiern lief im Vergleich dazu relativ unspektakulär ab. Kein verheerender Sturz, aber auch noch keine großen Titel, mit dem Regelwerk hat er keine Probleme. Er hat sich leise nach vorne gearbeitet, bis er Dritter wurde beim Neujahrsskispringen vor einem Jahr. 2005 konnte er diesen Erfolg wiederholen, durfte sich gleich zu Beginn des Jahres als deutscher Skisprung-Held feiern lassen.
Aber sind er und Uhrmann, der trotz Magen-Darm-Infektion mit Platz fünf erfreute, wirklich so geeignet zur Heldenverehrung wie einstmals Sven Hannawald und Martin Schmitt? Wohl eher nicht. Obwohl Uhrmann (26) im vergangenen Winter in Zakopane den einzigen deutschen Weltcupsieg feiern durfte, blieb die Sponsorenfläche auf seinem Helm zu Beginn dieser Saison zunächst leer. Jetzt wirbt er für ein Busreise-Unternehmen, ein spektakulärer Werbe-Partner ist das nicht. Sie sind brave Burschen aus Bayern, ihre Sportart boomt längst nicht mehr, einen Hype erzeugen sie nicht. Die Massenverehrung idolsuchender Teenager hat Uhrmann und Späth nicht getroffen. „Ich habe schon ein bisschen mehr Fanpost bekommen“, erzählt Späth (23). Sonst laufe aber „alles normal, ich kann mich in der Freizeit frei bewegen“. Sicher ließe sich jetzt über die Farbe seines rosa Helms streiten, mit dem er für Nuss-Schnitten wirbt. Aber Hauptsache, es ist lukrativ.
Ihre guten Leistungen sind eigentlich keine Überraschung, sondern von Bundestrainer Peter Rohwein sehnlichst erwartet worden. „Ich habe immer an sie geglaubt, ich war vom Potenzial unserer Mannschaft überzeugt“, sagt er. Rohwein hat Grund zur Erleichterung. Nach der enttäuschenden Leistung beim Auftaktspringen der Tournee in Oberstdorf – Uhrmann war als Achter bester Deutscher – haben seine Schützlinge in Garmisch-Partenkirchen das gezeigt, was man wohl momentan bestenfalls erwarten kann: einen Podestplatz, dazu ein guter Rang unter den ersten zehn. Sogar Martin Schmitt durfte sich an diesem strahlenden Neujahrstag am Fuße der Zugspitze über die ersten Weltcuppunkte des Winters freuen. Er wurde 27. und darf zur Belohnung mit zu den weiteren Stationen Innsbruck und Bischofshofen reisen. Vielleicht hat er ja am Ende der Vierschanzentournee die magische Marke von zehn Weltcuppunkten geknackt? Rang 27 war wahrlich kein Befreiungsschlag und kann für einen vierfachen Weltmeister auch gar kein Maßstab sein.
Immerhin gerät Schmitt fast in Vergessenheit, wenn es gute Leistungen der anderen zu feiern gibt. Dank Uhrmann und Späth profitiert er nun von einer Situation, die er und Hannawald eben jenen Springern lange Jahre selbst ermöglicht haben: Hat ein anderer Erfolg, können eigene Niederlagen relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit verkraftet werden. „Der Martin und der Sven haben auf uns immer ganz schön lange Schatten geworfen“, sagt Uhrmann. Doch spätestens, als er 2001 Weltmeister und 2002 Olympiasieger im Team geworden war, wurde ihm der Schatten zu dunkel. „Wir waren immer nur der Anschlusskader, man kannte nicht einmal unsere Gesichter.“ Zu jenem Anschlusskader – das Wort prägte vor allem Exbundestrainer Reinhard Heß – gehörte auch Späth. Heß glaubte eigentlich nie an die Durchsetzungsfähigkeit des Allgäuers, der als erfolgreicher Junioren-Sportler in den A-Kader aufgestiegen war. Zu ruhig sei er, zu phlegmatisch. Heß musste diese Meinung an Neujahr 2004, als Späth aufs Podest sprang, revidieren und meinte vor Beginn dieser Tournee sogar, dass Späth zum Siegspringer reifen könnte.
Dazu müsste er allerdings in diesem Winter erst einmal Janne Ahonen schlagen, der auch das zweite Tourneespringen und damit die neunte von bisher zehn Weltcupkonkurrenzen gewonnen hat. „Der ist auch nur ein Mensch, kein Roboter“, versuchte Bundestrainer Rohwein den anderen Mut zu machen, doch es klang, als wäre er selbst nicht davon überzeugt. Die Konkurrenz wartet fast ehrfürchtig auf Fehler des Finnen.