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Archiv-Artikel

Geradewegs ins Ghetto

Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen kritisiert Gesetzentwurf gegen Diskriminierung: Keine Durchmischung von Wohngebieten mehr möglich

Der Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) hat den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes als „unverhältnismäßig“ kritisiert. Das geplante Verbot ethnischer Diskriminierung beim Abschluss von Mietverträgen nehme den Wohnungsunternehmen ein wichtiges Steuerungsinstrument aus der Hand. Verbandsdirektor Joachim Wege: „Es drohen Ausländerghettos oder ethnische Spannungen in einem Treppenhaus, die unkalkulierbare soziale Risiken produzieren können.“

Die Bemühungen der Bundesregierung und der Wohnungswirtschaft, sozial stabile Viertel zu schaffen, würden durch das geplante Gesetz ad absurdum geführt. Der Verband vertritt 323 Wohnungsgenossenschaften und -gesellschaften aus den drei nördlichen Bundesländern, darunter auch die städtischen Gesellschaften Saga und GWG.

Der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung am 15. Dezember vorgelegt hat, setzt mit einem Jahr Verspätung die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU um und geht zum Teil über diese hinaus. Demnach dürfen Menschen in der Arbeitswelt sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch beim Abschluss von Verträgen nicht benachteiligt werden – weder aufgrund ihrer Rasse oder Herkunft, noch ihres Geschlechts, ihrer Religion und Weltanschauung, ihres Alters, einer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität.

Für Vermieter heißt das, dass sie Mietinteressenten nicht mehr abweisen können, weil diese Ausländer sind. Ausnahme: Der Vermieter wohnt im selben Haus. Einem großen Wohnungsunternehmen jedoch werde damit die Möglichkeit genommen, Mietbewerber abzulehnen, „um zur Vermeidung von sozialen Brennpunkten bestimmte Wohngebiete zu durchmischen“, bemängelt Wege. Das Ziel des Gesetzentwurfes sei zwar gut, dieser sei jedoch zu kompliziert und konfliktträchtig.

Denn wenn ein Mietinteressent plausibel machen kann, dass er wegen seiner ethnischen Herkunft benachteiligt wurde, muss das Wohnungsunternehmen beweisen, dass das Kriterium Rasse nicht für die Bevorzugung eines anderen Bewerbers ausschlaggebend war. „Wenn Tatsachen glaubhaft gemacht werden können, die eine Benachteiligung wegen eines im Gesetz genannten Merkmals vermuten lassen, kehrt sich die Beweislast um“, heißt es in der Erläuterung des Bundesjustizministeriums zu dem Gesetzentwurf.

Der VNW fordert dagegen die Möglichkeit, auch in Zukunft Mietverträge nach eigenem Gutdünken abschließen zu dürfen. Verbandsdirektor Wege: „Unsere Mitgliedsunternehmen können für eine dem gesellschaftlichen Frieden dienende Belegungspraxis ihrer Bestände nicht permanent riskieren, sich vor Gerichten rechtfertigen zu müssen oder gar schadensersatzpflichtig zu machen.“ Gernot Knödler