Hinz und Kunz verstrickt in Affäre

Mein RAG, dein RAG: Die Gehälteraffäre erreicht die Hinterbänke der Parlamente. Provinzpolitiker müssen Nebenjobs verteidigen. Aufgeschreckte NRW-Landtagsfraktionen plötzlich für Transparenz

VON MARTIN TEIGELER

Jagdszenen im Münsterland, Watergate im westlichen Westfalen: Abgeordnete aller Parteien müssen sich in der Hauptsache Nebentätigkeiten erwehren. Nach Meyer und Arentz sind jetzt Hinz und Kunz dran. Kein Volksvertreter ist unwichtig genug, um in eine vermeintliche Gehälteraffäre verwickelt zu werden.

Law and Order, „Fall“ 1: Martina Eickhoff arbeitet für die RAG, melden Nachrichtenagenturen. Melden Zeitungen. Ein Skandal? Martina Eickhoff, SPD-Bundestagsabgeordnete aus Bergkamen, ist erst seit Oktober 2004 im Parlament. Die Nachrückerin hat einen ordentlichen Beruf erlernt: Bergvermessungsingenieurin. Das wird Frau Eickhoff jetzt zum Verhängnis: Als Mitarbeiterin des Bergwerks Ost der Deutschen Steinkohle AG arbeitet sie nach ihrem Wechsel in die Politik weiter, zu verminderten Bezügen. 2006 endet nämlich die Legislaturperiode. Ob Eickhoff wieder in den Bundestag gewählt wird, ist unsicher. Dass sie nicht sofort ihren RAG-Job kündigt, lässt sich bei der Seiteneinsteigerin also nachvollziehen. Trotzdem ist Eickhoff jetzt Teil der großen Gehälteraffäre. Ihre Sekretärin im Bundestag stöhnt: „Ja, wir haben viele Anfragen.“

„Fall“ 2: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Daniel Bahr aus Münster teilt mit, dass er sich von seinem Arbeitgeber Dresdner Bank gehaltlos beurlauben hat lassen. Aha.

Alle sind verdächtig, alle verhalten sich auffällig unverdächtig, transparent und offen. Muster-Parlamentarier sind dagegen fein raus. CDU-Mann Hubert Hüppe aus Unna ist ein „gläserner Abgeordneter“. Im Internet, gleich unter dem Reklamefoto mit dem damaligen CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer, veröffentlicht Hüppe seine Steuererklärung. „Die Bürger, Sie, sollen wissen, wieviel Geld ich bekomme, denn schließlich sind Sie meine Arbeitgeber und ich beziehe mein Einkommen aus Ihren Steuern“, schreibt Hüppe. Im Einkommenssteuerbescheid von Herrn Hüppe lesen wir, dass seine Frau im Jahr 2002 356 Euro aus freiberuflicher Tätigkeit verdient hat. Ein Fall Hüppe? Wirtschaftliche Nebeneinnahmen durch selbstgestrickte Topflappen?

Wenn alles zum Fall wird, gehen die wirklichen Seltsamkeiten diskret unter. Hildegard Müller, die Dresdner-Bank-Dame im CDU-Parteipräsidium, scheint nur eine kleine Nummer im Zahlensalat Gehälteraffäre zu sein. Lediglich eine Abgeordnete mehr, die eben 2.000 Euro pro Monat nebenher kassiert. „Wessen Interessen Müller vertritt, hat man ja beim Thema Kopfpauschale gesehen“, sagt ein Mitglied des CDU-Landesvorstands.

Besonders aufgeregt sind die NRW-Parteien. Als Konsequenz aus den Debatten um Nebeneinkünfte von Politikern wollen die Parlamentarier im NRW-Landtag künftig etwaige Tätigkeiten und die Einkünfte daraus offen legen. Das Abgeordnetengesetz solle bis Mai geändert werden, so SPD-Fraktionschef Edgar Moron. Hektisch bereiten die chronisch zerstrittenen Landtagsfraktionen eine Einigung vor. Das Thema soll vor dem Wahlkampf endlich vom Tisch.