: Sorgen um Goslar
Statt sich um ihr Weltkulturerbe zu kümmern, plant die Stadt lieber ein Einkaufszentrum in der historischen Altstadt – der unabhängige Internationale Rat für Denkmalpflege ist alarmiert
Von Benno Schirrmeister
„Goslar“, sagt Michael Petzet, „scheint mir wirklich ein gravierendes Problem.“ Im selben Zusammenhang benutzt der ehemalige bayerische Landeskonservator und derzeitige Präsident des Internationalen Rates für Denkmalpflege (ICOMOS) die Ausdrücke“ „sehr bedenklich“, und „ich mache mir Sorgen.
Anlass dafür bietet der bislang nicht veröffentlichte Bericht des deutschen ICOMOS-Ablegers: Eine der zentralen Aufgaben des vom Staat unabhängigen Rates ist es, Pflege und Zustand des Unesco-Weltkulturerbes jährlich neu kritisch zu bewerten: Dazu gehören im Norden beispielsweise Lübeck und der Hildesheimer Dom. Und eben bereits seit 1992 die Altstadt von Goslar und das Bergwerk zu Rammelsberg.
Über beide fallen böse Worte im aktuellen ICOMOS-Rapport: Mit Blick auf die Altstadt wird „die Zerstörung von fünf Baudenkmalen, die Eliminierung einer der ältesten mittelalterlichen Gassen, zerstörerische Eingriffe in die mittelalterliche Stadtstruktur und die Beeinträchtigung der Dachlandschaft“ moniert. Bezüglich des Rammelsberges bestätigen die unabhängigen Experten den in der taz vor Jahresfrist publizierten Bericht eines ehemaligen Museumsmitarbeiters. Über das Monument, das zehn Jahrhunderte Bergbaugeschichte dokumentiert, heißt es, dass es „keine denkmalpflegerisch und wissenschaftlich qualifizierte Führung mehr“ besitze, sondern „von einer fachfremden Leitung ausschließlich nach kaufmännischen Prinzipien als museale Einrichtung betrieben“ werde.
Der damit angesprochene Museums-Geschäftsführer Achim Jahns, war gestern zu einer Stellungnahme nicht bereit. In der Goslarschen Zeitung hatte er zuvor die Vorwürfe lieber als Teil einer Intrige dargestellt. Im niedersächsischen Kulturministerium, das den Erhalt von Rammelsberg in diesem Jahr mit 730.000 Euro fördert, spricht man allerdings davon, „dass das Problem erkannt“ sei und „für Abhilfe gesorgt werde“.
Tatsächlich hatte das Museum vor Jahresfrist am Rande der Insolvenz laboriert. Deshalb habe man, so Ministeriumssprecher Philipp Reiter, „mehr auf ökonomische Kriterien achten“ müssen: „Ein geschlossenes Museum nutzt ja niemandem, ob es Unesco Welterbe ist, oder nicht.“ Jetzt aber werde „die Stelle einer wissenschaftlichen Leitung für den Rammelsberg neu ausgeschrieben“.
Die Auswirkungen der ICOMOS-Jahresberichte sind nicht zu unterschätzen: So führte er im vergangenen Jahr dazu, dass der Kölner Dom seit Juli auf der „Roten Liste“ der bedrohten Stätten geführt wird – wegen, so die Begründung der Unesco-Kommission, „der Gefährdung der visuellen Integrität des Doms durch Hochhausplanungen“. Als nicht unwahrscheinlich gilt, dass das Bauwerk dadurch den prestige- und fremdenverkehrs-trächtigen Status des Welterbes verliert: Die Liste ist im Unesco-Umfeld umstritten, weil gut zwei Drittel der Einträge aus Europa stammen. Einer kleinen Korrektur wäre man wohl kaum abgeneigt.
Zwar wird in Goslar kein Hochhaus geplant. Dafür aber soll ein Einkaufszentrum in der City entstehen – mehrere Stockwerke, Verbindungsbrücken zum benachbarten Mode-Shop und Parkhaus inklusive. Im Frühjahr will der Rat über das auch von mehreren Einzelhändlern der Stadt kritisierte Projekt entscheiden. Jetzt kündigt Oberbürgermeister Otmar Hesse an, erst einmal die ICOMOS-Zentrale in Paris kontaktieren zu wollen.
„Ein sinnvoller Schritt“, lobt Oberdenkmalschützer Petzet. Wenn auch ein unnötiger Umweg. Dass nämlich in Paris ein anderes Votum als das der deutschen Gutachter formuliert wird, ist allerdings unwahrscheinlich: „Das wird dann“, so der Kunsthistoriker, „von Paris aus wieder nach Deutschland zurück gegeben.“