: Der Balkan hinter den Pyrenäen
Zerfällt Spanien? Madrider Zentralregierung ist gegen baskische Vorlage einer weitreichenden Autonomie. Aber in Katalonien machen die Basken schon Schule
MADRID taz ■ Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero hatte gestern Nachmittag die wohl unangenehmste Sitzung seiner jungen Amtszeit. Er empfing den Chef der baskischen Autonomieregierung, Juan José Ibarretxe. Der Politiker der Baskisch-Nationalistischen Partei (PNV) reiste in die Hauptstadt, um den nach ihm benannten Plan zur „freien Assoziierung des Baskenlandes an Spanien“ vorzustellen. Er will, dass Zapatero darüber verhandelt.
„So lange wir das Vertrauen der Wähler haben, wird der Plan Ibarretxe nicht umgesetzt“, verriet Zapateros Stellvertreterin, María Teresa Fernández de la Vega bereits im Vorfeld. Der Plan des baskischen Nationalisten verstoße gegen die Verfassung.
Ibarretxes Vorschlag, der mit den Stimmen der ETA-treuen Patriotischen Sozialisten (SA) im baskischen Parlament angenommen worden ist, sieht eine „baskische Nationalität“ vor, die „der spanischen gleichgestellt“ ist. Das Baskenland soll künftig alle Kompetenzen übernehmen, selbst die Außenpolitik und die Vertretung gegenüber der EU. Das neue Baskenland soll auch die Möglichkeit haben, mit den drei in Frankreich liegenden baskischen Provinzen und mit dem nordspanischen Navarra über einen Zusammenschluss zu verhandeln.
Dieser Plan soll – so Ibaarexte – die „Tür der Gewalt endgültig schließen“. Gemeint ist damit der bewaffnete Kampf der Separatistenorganisation ETA. Ibarretxe kommt den Radikalen mit seinem Plan entgegen.
Die nichtnationalistische Opposition im Baskenland nimmt genau dies zum Anlass der Kritik. Für sie hat die baskische Regierung einen Weg eingeschlagen, der endgültig auf Konflikt statt auf Zusammenleben setzt. Denn nur knapp mehr als die Hälfte der baskischen Wähler geben ihre Stimmen nationalistischen Parteien. Und nach ersten Umfragen ist nur jeder Dritte im Baskenland mit Ibarretxes Plan einverstanden.
Ibarretxe will trotz der Ablehnung Madrids seinen Plan weiter vorantreiben. Das Dokument wird heute dem spanischen Parlament präsentiert. Dort soll es dann im März diskutiert werden. Es ist sicher, dass die regierenden Sozialisten und die konservative Opposition ihn zurückweisen. Doch auch damit wollen sich die baskischen Nationalisten nicht geschlagen geben. „Das spanische Parlament kann sich doch nicht allen Ernstes über den Willen der baskischen Institutionen hinwegsetzen“, findet Ibarretxe. Noch dieses Jahr will Ibarretxe eine Volksabstimmung über sein Vorhaben, was ihm laut der Verfassung aber gar nicht zusteht.
Bei den spanischen Konservativen, die im März 2004 nach den islamistischen Anschlägen in Madrid von den Wählern überraschend auf die Oppositionsbank verwiesen wurden, macht jetzt das Wort „Balkanisierung Spaniens“ die Runde. Der PP-Vorsitzende Mariano Rajoy wirft dem sozialistischen Regierungschef Zapatero „Schwäche“ vor. Ginge es nach ihm, wäre der Plan überhaupt nicht bis in die Madrider Volksvertretung gekommen.
Doch Zapatero will von mehr als einem „übereinstimmenden Abstimmungsverhalten“ mit der PP bisher nichts wissen. Denn seine Regierung wird von der postkommunistischen Vereinigten Linken (IU) und den Linksnationalisten aus Katalonien, der Republikanischen Linken (ERC) gestützt. IU ist zwar in Madrid gegen den Plan Ibarretxe, doch im Baskenland sitzt sie mit in der Autonomieregierung, die den Plan auf den Weg brachte. Und ERC ging vor wenigen Tagen sogar so weit, im Falle eines Bündnisses PSOE/PP gegen Ibarretxe mit der Aufkündigung der Unterstützung in Madrid und dem Bruch der gemeinsamen Regierungskoalition im katalanischen Barcelona zu drohen. Dort bastelt die regionale Regierung unter Vorsitz des Sozialisten Pasqual Maragall an einem eigenem Autonomiestatut.
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